Kobra
Freundin ist abgereist ... sehr weit weg ... stellen Sie sich das vor.“
„Abgereist? Ah, deshalb also.“
Die Spannung lässt auf einmal nach. Nikita Ampere fasst meine Worte auf die allergewöhnlichste Weise auf: Dass ihre Freundin versucht hat, illegal ins Ausland zu gelangen, und sie scheint nicht sehr überrascht. Vielleicht ein bisschen verwundert und verletzt, dass ihr die Fenner ihre Absichten nicht anvertraut hat.
„Trotzdem“, sage ich, „können Sie genau angeben, um welche Zeit Sie sich von Amandine Fenner getrennt haben?“
„Gegen sechs. Später ist es wohl kaum gewesen.“
„Gut. Ich halte Sie auf dem Laufenden.“
Die Ampere sieht gar nicht entzückt darüber aus, dass ich sie auf dem Laufenden halten will.
Ich werde sie ein bisschen später anrufen und das Missverständnis aufklären. Das mache ich doch lieber aus der Entfernung. Ich unterschreibe den Besucherschein, und die Frau in Grau geht hinaus. Wenn man ihre Worte und das, was dahintersteckt, richtig auslegt, hat sich die Fenner nicht durch sonderliche Liebe zu der Ordnung in Frankreich ausgezeichnet. („Abgereist? Ah, deshalb also!“) Möchte gern wissen, wohin sie abreisen wollte. Und ihre Stimmung war gestern auch nicht die lustigste.
Ich kehre zu meinen Gedanken über Frau Nilsson zurück. Mich mit Renoso zu treffen, hat wohl kaum Sinn. Was könnte dabei herauskommen? Erinnerungen von Herrn Renoso an die Vergangenheit und seine Jugend, als er viel Geld hatte, als alle Frauen ihm gehörten und der Gipfel des Luxus der schwarze Buick war, sein persönliches Eigentum. Das, was ich wissen müsste, werden weder er noch Frau Nilsson mir sagen. Vielleicht ist es besser, ich suche Frau Nilsson auf und rede mit ihr.
Doch zuvor eine kleine Überprüfung. Ich wähle die Nummer des Außenhandelsministeriums, werde mit dem Zimmer des Sekretariats von Herrn Fenner verbunden. Eine Frauenstimme meldet sich, recht patzig.
„Der Herr Fenner ist nicht im Hause.“
Ich versuche zu erfahren, wo man ihn finden kann. Vergebens.
„Ich weiß nicht. Er kommt nicht wieder her.“
Während ich mich anschicke, etwas Passendes und ein wenig Schärferes zu sagen, wird am anderen Ende aufgelegt. Ich versuche es noch einmal. Werde mich mit der Telefonistin verständigen.
Und wir verständigen uns tatsächlich. In solchen Behörden sind die Telefonzentralen so etwas wie Nachrichtenagenturen im Kleinformat. Ich erfahre, dass Herr Fenner äußerst beunruhigt weggegangen ist. Seine Nichte sei plötzlich gestorben. Hier ist also schon etwas in Bewegung geraten.
Es klopft an der Tür. Sophie kommt herein. Sie hat etwas erreicht – man sieht es ihren Augen an. „Dr. Bouché!“, platzt sie stolz heraus. „Wir haben ihn gefunden!“
„Wen?“
„Den Taxifahrer. Gleich am Taxistand in der Avenue Bosquet. Soll ich ihn reinbringen?“
Und schon führt sie einen jungen Mann in einer flotten, leichten Lederjacke herein. Ich fordere ihn zum Sitzen auf und mustere ihn. Er hat ein kluges, ruhiges Gesicht. Ich nehme an, man wird Vertrauen zu ihm haben dürfen.
„Mein Kollege hatte gestern Nachtschicht“, erläutert er.
„Sehen Sie, mich interessiert ein Umstand. Können Sie sich erinnern, ob Sie gestern Abend zu einer Adresse gefahren sind.“ Ich sehe in meinen Notizblock. „Rúe Rousselet siebenunddreißig?“
„Ihre Assistentin hat mich schon gefragt.“ Er sieht Sophie an. „Ja, bei der Adresse war ich. Unsere Zentrale hat mich auf eine Bestellung hingeschickt.“
„Um wie viel Uhr?“
Der Taxifahrer zieht ein etwas zerknautschtes Fahrtenbuch aus der Innentasche. Er sucht etwas und zeigt es mir. „Um zwölf Uhr zehn kann es gewesen sein, aber nicht später. Ich sehe es am Kilometerstand.“
„Für uns ist es sehr wichtig, alles auf die Minute zu wissen.“ Jetzt nehme ich auch ein Blatt Papier, und wir fangen an zu rechnen.
„Sagen wir, Sie sind um zwölf Uhr zehn losgefahren. Aber die Bestellung war früher, nicht wahr?“
„Selbstverständlich. Ich kam zum Stand, und die Zentrale hatte die Adresse aufgeschrieben. Die Telefonistin sagte, fahr hin, sie haben schon zweimal nachgefragt. Also müssen sie vor zwölf angerufen haben.“
Das von dem zweimal nachfragen will mir nicht so recht gefallen.
„Und Sie sind sofort losgefahren?“
„Aber ja, die Leute haben gewartet.“
„So, und wann waren Sie bei der Adresse?“
„Um zwölf Uhr fünfzehn demnach.“
„Gut. Wie sah das Haus
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