Koch zum Frühstück (German Edition)
nicht vor elf, sich bei mir zu melden. Grade ist es fast halb zwölf, aber was soll's? Sind ja Semesterferien.
»Hi, Flo, ich bin's. Schläfst du schon?«
»Nein, ich schaue grade noch ein bisschen fern.«
»Was läuft denn?«
»Sekunde…« Ich schalte auf den Videotext und nenne ihm den Namen der Sendung. Auch wenn es ihn vermutlich nicht wirklich interessiert.
»Kenn' ich gar nicht«, bemerkt er.
»Nichts verpasst.« Hat er wirklich nicht. Ich schalte den Ton ab.
»Und sonst? Alles klar in Hamburg?«
»Ja, alles in Ordnung. Wie ist es bei dir?« Ich weiß gar nicht mehr genau, wo in Italien er sich rumtreibt. Irgendwo im Norden, wenn ich mich recht erinnere. Seine Auslandsaufenthalte sind meist an Orten, von denen man noch nie im Leben gehört hat. Kleine Städte, in denen Firmen ihre Sitze haben und wo es außer Industrie und einem schlechten Mittelklasse-Hotel nicht sonderlich viel gibt. Diese ganze Sache mit dem vielen Rumkommen , die sich erstmal total toll und nach Karriere anhört, ist, wenn man sie nüchtern betrachtet, einfach nur ziemlich nervig.
»Viel zu tun, aber passt schon. Wie war dein Tag?«
»Och, eigentlich nicht besonders spektakulär«.
Nachdem ich fertig war mit den Möbeln, war ich einkaufen und, weil's auf dem Weg lag, noch kurz bei Hanno, unserem Bassisten, um mir ein paar Sachen zu kopieren. Er hat mich gefragt, ob ich heute Abend mit ihm und ein paar seiner Kommilitonen auf die Reeperbahn komme, aber irgendwie hatte ich keinen Bock drauf.
Ich bin nicht so der Typ, der andauernd durch die Clubs zieht. Ab und zu komm' ich mal mit auf ein Bier, wenn wir mit der Band Probe hatten und Dirk nicht zu Hause ist und auf mich wartet, aber ansonsten kann ich Ausgehen nicht wirklich viel abgewinnen. Zumal ich mich in Heten-Clubs ziemlich deplatziert fühle.
Ich bin der einzige in der Band, der schwul ist. Folglich hab' ich deutlich weniger Spaß daran Weiber abzuchecken als der Rest. Und wenn ich stattdessen nach Kerlen schauen würde, wäre das albern. Und außerdem steht das ja sowieso nicht zur Debatte.
Ich hab' auch nicht grade Massen an schwulen Bekannten. Klar, wenn ich mich in einem schwulen Laden blicken lasse, gibt es bekannte Gesichter, aber das ist ziemlich unverbindlich. Obwohl die Szene hier in Hamburg einiges hergibt.
Ich bin nur nicht wirklich ein Szene-Typ. Im Grunde ist da nur Lukas, mit dem ich mich manchmal gezielt verabrede. Er ist der einzige schwule Freund, der nicht zu unserem gemeinsamen Bekanntenkreis gehört. Ich kenne ihn von der Uni. Während meines ersten Semesters waren wir kurz zusammen. Aber es hat nicht funktioniert. Wir sind definitiv besser als beste Freunde. Sehr zum Missfallen von Dirk übrigens.
Offiziell findet er Lukas einfach nur unsympathisch, aber insgeheim fürchtet er wohl, dass er und sein Lebenswandel einen schlechten Einfluss auf mich ausüben könnten. Vielleicht fürchtet er auch, dass ich einen Rückfall erleiden könnte. Aber diese Gefahr besteht definitiv nicht. Denn schon vor Lukas stand ich eher auf ältere Männer und feste Beziehungen. Dirk auch; die Beziehung, die er vor mir hatte, hielt immerhin sieben Jahre.
»Es sei denn, du betrachtest die Erkenntnis, dass dein Freund ‚IKEA‘ -Möbel auch ohne Akkuschrauber aufbauen kann, als Highlight.«
»Hm…« Er scheint drüber nachzudenken.
»Und ich hab' den Tierarzttermin verpasst«, lege ich nach. Ansonsten hab' ich noch Wäsche gewaschen, zu lange am PC gesessen, deswegen mein Date beim Tierarzt für Elmo und Herrn Hase spontan auf morgen verlegt und mir abends eine Pizza bestellt. Und ein bisschen habe ich mich gelangweilt. Vielleicht sollte ich mir mal wieder einen Job suchen.
Früher, als ich noch in diesem winzigen Appartement in Altona gewohnt hab', und mit Lukas zusammen war, hatte ich immer irgendwelche Nebenjobs. Die meisten davon waren ziemlich mies. Pizza ausfahren war noch der Beste. Aber seit ich die Wohnung gekündigt hab' und mit Dirk zusammen wohne, hat sich das mit dem Jobben irgendwie schleichend erledigt.
Ich komme gut klar, meine Eltern unterstützen mich und obwohl ich Dirk schon oft angeboten habe, ihm Miete zu bezahlen, winkt er regelmäßig ab. Er zahlt selbst auch keine. Ist eine Eigentumswohnung. Ich glaube, er hat sie auch schon abbezahlt. Wir reden nicht wirklich darüber, was er verdient. Interessiert mich auch nicht.
»Und steht schon alles?«
»Hm?« Ich bin grade nicht sicher, was er meint.
»Die Möbel bei Nina.«
»Oh… ja, klar.«
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