Koch zum Frühstück (German Edition)
kleine Schwester als Kind in Erinnerung hab'.
»Kommen Sie rein.« Ich gebe mir Mühe, freundlich zu klingen, trete ein Stück zur Seite und lasse die beiden in die Wohnung.
Man kommt vom Eingangsbereich direkt in den offenen Wohnraum. Er ist ziemlich groß. Als ich die Wohnung gekauft hab', konnte ich selbst entscheiden, wie ich die Aufteilung haben will. Mein Traum war immer ein Loft, also hab' ich die Küche in den Raum integriert und einen Teil der Außenfassade durch Glasbausteine ersetzen lassen. Der Raum hat jetzt fast 120 Quadratmeter und ist Küche, Esszimmer und Wohnzimmer in einem.
Ansonsten gibt es gleich links ein Gäste-WC mit Dusche, dazu ein Bad, das man nur vom Schlafzimmer aus erreicht, und ein eher winziges Arbeitszimmer. Ein Kinderzimmer hab' ich wohl leider vergessen…aber dummerweise konnte Frau Schroth das nicht davon abbringen, die Aktion, die Kleine bei mir zu parken, für eine echt gute Idee zu halten. Freitag war sie da, zur ‚Wohnungsbesichtigung‘ , wie sie das ziemlich unverblümt genannt hat. Und offensichtlich war ihr dabei als Dauermantra vor sich hingemurmeltes ‚schön, schön‘ ernst gemeint. Darüber hinaus bin ich in den mehr als zweifelhaften Genuss eines überaus uninteressanten Monologs gekommen, dass sie eine begeisterte Hobbyköchin ist. Kurzzeitig hab‘ ich mich davor gefürchtet, dass sie ein Date mit mir will. Sie könnte meine Mutter sein. Und selbst wenn ich mit Frauen was anfangen könnte...ich würde niemals mit einer ausgehen, die sich nicht die Achseln rasiert.
»Na komm, Stella«, ermutigt sie die Kleine, die ihr zögerlich vor mein Sofa folgt. »Wir stellen mal deine Sachen ab.« Sie lässt den Windelkarton auf den Boden gleiten und erleichtert stelle ich fest, dass er keine Windeln, sondern offensichtlich Klamotten enthält. Hat wohl nicht alles in den Koffer gepasst. Vermutlich geht sie gleich noch mal runter, um ihn zu holen.
»Möchtest du deine Jacke ausziehen?«, frage ich vorsichtig und mache einen Schritt auf sie zu. Sie nickt wortlos und presst ihre Unterlippe dabei unter die Oberlippe.
Sie sieht Pamela wirklich ziemlich ähnlich. Die gleiche Stupsnase, die gleichen, großen Augen und ein paar Sommersprossen auf den Wangen der ziemlich blassen Haut. Sie trägt Ohrringe und auf ihren Fingernägeln ist abgeblätterter, rosafarbener Nagellack.
Sie sollte vielleicht ein Bad nehmen, denn es geht dieser Geruch, den ich eigentlich längst vergessen hatte, von ihr aus. Eine Mischung aus Zigaretten, Bratfett, billigem Essen und… Wilhelmsburg. Und ein bisschen ist es so, als könnte ich einen kleinen, dünnen Jungen neben ihr stehen sehen. Der auch blond und genau so blass ist und Sommersprossen hat…
»Na, dann lass mich mal sehen«, biete ich an und gehe unter Frau Schroths pädagogischem Blick vor ihr auf die Knie. Unmerklich weicht sie einen Schritt zurück. Na super!
»Hey, komm, ich helf' dir mit dem Reißverschluss«, sage ich leise, lächle aufmunternd und versuche, irgendwie liebevoll dabei zu klingen. Nicht grade meine Spezialität…
»Kann ich alleine«, sagt sie mit dunklerer Stimme, als ich erwartet hätte, dreht mir den Rücken zu und stellt die Tüte neben den Windelkarton auf den Boden.
»Okay«, sage ich, rapple mich wieder auf und bleibe unschlüssig neben ihr stehen. Dabei fand ich meinen Versuch, liebevoll zu sein, gar nicht so schlecht.
Über ihre Schulter kann ich sehen, wie sie den Reißverschluss öffnet und nur mit Mühe in der Lage ist, ihn unten auszuhaken.
»Soll ich sie nehmen?«, versuche ich es noch einmal. Sie dreht sich um, nickt und zieht dann die Jacke aus, die sie mir in die Hand drückt. Wieder steigt mir dieser Geruch in die Nase. Ich muss sie unbedingt waschen. Und ihre ganzen anderen Sachen vermutlich auch.
***
Es hat nicht sonderlich lange gedauert, bis Frau Schroth sich verabschiedet hat. Natürlich nicht, ohne vorher nach Michael zu fragen, der – wie kann's auch anders sein – eine total wichtige Sitzung vorgeschoben hat, um hier keinen auf Empfangskomitee machen und Begeisterung heucheln zu müssen.
Und jetzt sitzt sie da auf meinem Designer-Sofa. In einem Rock aus dunkelblauem Cord und einem rosa Pullover, auf dem irgendwelche Figuren sind, auf die kleine Mädchen ihres Alters wohl stehen und von denen ich noch nie im Leben gehört hab'. Irgendwann waren sie vermutlich mal mit Glitzer verziert, aber der hat sich nach ein paar Waschgängen wohl verflüchtigt.
»Alles in
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