Koch zum Frühstück (German Edition)
ich wohl das Beste draus machen.
Also hab' ich ihr gestern vorgelesen. Nur kurz, war schon spät, aber ich dachte, wenn ich bei ‚Thalia‘ schon dieses komische Felixbuch mitgenommen habe… Und irgendwie mochte ich es, wie sie da unter der Decke lag, auf Michaels Seite, andächtig zugehört und dabei mit den Plüschohren ihres Hasen gespielt hat. Auch wenn die Geschichte total bescheuert und der Hase ein echter Klugscheißer ist, der mir schon nach zwei Seiten tierisch auf die Nüsse ging…
So fühlt sich das dann also vermutlich an. Familie und dieser ganze Scheiß. Fremd, ungewohnt und nicht mein Metier. Keine Ahnung, ob ich mich je wirklich dran gewöhnen kann. Bisher hat Familie in meinem Leben nie eine Rolle gespielt. Mein Leben findet in Küchen statt und ich hab' nie in Erwägung gezogen, dass sich das jemals ändern könnte. Ich bin jemand, für den Beziehung nicht mehr bedeutet, als über mehrere Monate hinweg Sex mit demselben Kerl zu haben…
»Schlaf' gut, Stella«, hab' ich gesagt, als ich das Buch zugeklappt und ihr übers Haar gestreichelt hab'.
»Bleibst du da, bis ich eingeschlafen bin?«, wollte sie flüsternd wissen.
»Komm' gleich wieder. Ich hol' mir nur was zu trinken«, hab' ich versprochen. Weil ich einfach einen Moment gebraucht hab‘, um gegen dieses Gefühl anzukommen, keine Luft mehr zu kriegen. Dieses ‚Zuviel‘ an Nähe, mit dem ich offensichtlich nicht mal umgehen kann, wenn ich mich darum bemühe.
Also stand ich da, in meiner Küche mit einem Glas Wasser, hab' aus dem Fenster gesehen, versucht, mich zusammenzunehmen und dabei Michael, der vor dem Fernseher saß, zu ignorieren. Wundert mich, dass er immer noch hier auf dem Sofa schläft. Aber ich schätze, bis er endgültig seine Sachen packt, ist es nur noch eine Frage der Zeit. Ist wohl auch ganz gut so.
***
»Ist es hier?« Fragend sehe ich sie an, wie sie vor mir steht in diesen ein bisschen zu großen Klamotten. Die Jeans musste ich ihr umkrempeln, aber wenigstens ist sie nicht so abgetragen, wie der Rest von ihrem Zeug aus der Windelkiste.
Sie nickt, sieht mich an und schiebt die Unterlippe vor.
»Da wohn' ich mit Mama«, sagt sie leise, während ich die leere Reisetasche abstelle und den Schlüssel aus meiner Manteltasche krame. Und ein bisschen hab' ich Angst, dass sie da drin gleich anfängt zu weinen. Weil ich dann – auch wenn ich die letzten Tage vor allem nachts ein paar Mal das Vergn ügen hatte –, so… hilflos bin. Genauso wie jetzt. Hier… an diesem Ort, an den ich nie mehr wieder zurück wollte und an dem mich irgendwie dieses beklemmende Gefühl überkommt. Erinnerungen, die ich nicht haben will…weil ich so froh bin, dass ich das hier verlassen hab'.
Es ist ein anderes Haus als das, in dem ich aufgewachsen bin, eine andere Adresse. Es sind andere Schmierereien im Fahrstuhl und die Neonröhre flackert nicht. Und doch ist es so erschreckend gleich, dass ich glaube, zu wissen, wie es hinter dieser Tür mit dem kleinen Spion, aussieht.
Es riecht ungewohnt und doch vertraut. Da ist er wieder, dieser Geruch… nach kaltem Zigarettenrauch und meinem alten Leben. Ich atme aus und gehe durch den schmalen Flur. Die Wohnung ist winzig. Und fürchterlich unordentlich für meinen Geschmack.
Hinter der ersten Tür links scheint wohl das Wohnzimmer zu sein. Am Fenster steht ein Wäscheständer mit ein paar Handtüchern und Kinderkleidung vor einer welken Topfpflanze. An der Wand steht ein grauenvolles Sofa, auf dem eine Decke mit Hundewelpen-Motiv ausgebreitet ist, und nicht mal zwei Meter von der Tür entfernt ein passender, ausladender Sessel.
Ein Couchtisch, so ein fürchterliches, höhenverstellbares Modell mit Kacheln, der auch schon bessere Tage gesehen hat, darauf ein halbvoller Aschenbecher und eine aufgeschlagene Fernsehzeitung von vor zwei Wochen. Gegenüber des Sofas steht eine schwarze Schrankwand mit einer Glasvitrine im oberen Mittelteil. Unter der Vitrine in einem kleinen Fach ein paar seltsame Kaffeetassen und davor kleine Figürchen. Daneben der Fernseher. Zu groß… zu teuer… zu Hause… Verdammte Scheiße, ich dachte, ich hätte das hinter mir.
Unaufgefordert setzt sie sich artig auf die Couch. Gott… das ist… ein beschissenes Déjà-vu sozusagen. Dieses Mädchen da auf diesem runtergekommenen Sofa… In mir zieht sich was zusammen. Und da ist dieses schale Gefühl… eins, von dem ich nicht weiß, was es ist, und das ich dennoch kaum ertragen kann.
Ich trete
Weitere Kostenlose Bücher