Koch zum Frühstück (German Edition)
einen Schritt an die Vitrine heran. Es stehen Gläser drin, in den Ecken sitzen Puppen und Kuscheltiere. Eine Maus, die ein Herz hält, auf dem ‚Hab' dich lieb‘ steht. In den offenen Regalen gibt es ein paar Konsolenspiele, noch mehr Figürchen, ein paar alte Zeitschriften und eine Porzellanfigur, an die ich mich dunkel erinnere. Dazu eine Schneekugel, eine handvoll Bücher. Aber es sind, jedenfalls auf den ersten Blick, keine für Kinder dabei.
Daneben gibt es Fotos. In kitschig verzierten, billigen Rahmen. Von Pamela und einem Typen, der wohl ihr aktueller Lebensgefährte war. Von Stella, heute und als Baby und eines von meiner Mutter aus besseren Tagen.
Nirgendwo eins von mir, aber das hatte ich auch nicht wirklich erwartet.
»Sollen wir ein Foto von deiner Mama mitnehmen?«, frage ich und drehe mich zu ihr um. Immer noch sitzt sie regungslos auf dem Sofa.
»Stella?«
Sie antwortet nicht.
»Okay, weißt du was, wir nehmen es mit… und das von meiner Mama auch. Das ist das hier… schau…« Ich nehme die Rahmen in die Hand. Ich glaube, ich hab' kein einziges Foto von meiner Mutter. Und ich kann mich nicht mehr an die Zeit erinnern, in der sie wie auf dem Bild ausgesehen hat.
»Das ist deine Oma. Sie… ist da, wo deine Mama jetzt auch ist und…«, setze ich an.
Scheiße! Verdammte Scheiße! Wie um alles in der Welt soll ich ihr das denn erklären? Sie ist noch so klein und ich kann kaum ertragen, wie sie mich ansieht. Meine Finger krampfen sich um den Rahmen. Ich gehe rüber zum Fenster. Ich brauch' einen Moment. Diese Enge, dieser Geruch, diese Wohnung… Ich wünsche mir, ich wäre wirklich fertig damit…
Wortlos setze ich mich neben sie aufs Sofa, lege die Fotos zwischen uns, stütze die Ellbogen auf die Knie und meinen Kopf in die Hände. Ich spüre, wie sie sich nach hinten fallen lässt und einen Moment lang sitze ich einfach nur da. Machtlos, nicht fähig, irgendwas zu tun… mitten drin in meinem alten Leben, in dem mir nie jemand Geschichten von Klu gscheißer-Hasen vorgelesen hat…
***
»Willst du… die Puppen mitnehmen?«, frage ich. Ich bin wieder aufgestanden und hab' die Vitrine geöffnet. Ich muss mich zusammenreißen.
»Die Puppen darf ich nicht, die sind Mama«, sagt sie schüchtern.
»Ich bin mir sicher, du kannst sie mitnehmen. Also, möchtest du sie?« Ich sehe sie an. Aber ich weiß nicht, ob sie realisiert, was hier grade wirklich passiert.
»Manchmal darf ich die Maus«, sagt sie flüsternd. »Wenn ich brav gewesen bin.«
»Gut, dann nehmen wir die Maus mit nach Hause, okay?« Ich versuche ein Lächeln. Bevor mir einfällt, dass ‚Zuhause‘ für sie wohl immer noch das hier ist.
Ich gehe rüber, nehme sie vom Regal und gebe sie ihr. Sie legt den Hasen Felix beiseite, nimmt die Maus, zieht sie an ihre Brust und stützt das Kinn zwischen die großen Plüschohren. Und ich setze mich einfach neben sie, nehme sie in den Arm und ziehe sie an mich. Weil das hier in Wahrheit nicht nur ihr Zuhause ist…
»Weinst du, weil Mama tot ist?«, fragt sie leise.
»Ein bisschen«, lüge ich und wische mir verschämt die Tränen weg.
»Magst du die Maus?« Mit beiden Händen hält sie sie mir hin.
»Nein, ich… ist schon gut…« So zärtlich ich kann, streichle ich ihr übers Haar. Ich bin nicht gut in so was. Ich bin scheiße… Ich wünschte, Nina wäre jetzt hier…
»Die Mama ist jetzt doch im Himmel.« Ihr kleiner Handrücken streicht tröstend meine Wange.
»Ja, ich weiß.«
***
»Okay, wo ist denn dein Zimmer?«, frage ich ein paar Minuten später, als ich mich wieder beruhigt hab'.
»Im Schlafzimmer«, wispert sie.
»Zeigst du's mir mal?«
Artig steht sie auf, die Maus immer noch im Arm, und geht hinaus in den Flur.
***
Es sind nicht viele Sachen. Ein paar Hosen, ein bisschen Wäsche, Kuscheltiere, eine Barbie mit abgeschnittenen Haaren, ein Memory und eine Spielesammlung. Eine Garnitur Bettwäsche, an der sie wohl hängt, und ein Rucksack von ‚Prinzessin Lilly‘ oder so ähnlich. Alles, was sie hat, passt in meine Reisetasche. Ich werd' Mittwoch wohl mit ihr einkaufen gehen.
Vielleicht sollte ich wirklich versuchen, ein Kleid für die Beerdigung zu finden, auch wenn ich nicht sicher bin, ob ich sie mitnehme. Und auch nicht, ob ich selbst hingehen soll. Aber die ist erst nächste Woche Freitag. Noch Zeit genug, das zu entscheiden.
»Darf ich den Nagellack mitnehmen?« Sie steht vor mir mit zwei kleinen
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