Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön
legte seinen Federhalter in die Rille, schloß den Zinndeckel seines Tintenfasses, zog seinen grauen Büromantel aus und griff nach seinem Rock, der an einem Kleiderständer hing.
»Jetzt … jetzt können Sie ihn anzeigen, Herr Plumps«, sagte einer der Buchhalter. »Das war eine grobe Beleidigung.«
»Man sollte ihm abends auflauern und durchdreschen«, rief ein anderer.
»Gehen Sie zum Grafen, und berichten Sie ihm.«
»Wenn er mir so etwas sagte, würde ich ihm das Tintenfaß ins Gesicht werfen!«
Plumps schwieg. Er zog seinen Mantel über, setzte seinen Schlapphut auf und verließ das Büro. Vom Ziegellager her hörte er durch die klare, kalte Winterluft Kochlowskys Stimme. Er suchte immer noch nach Langenbach.
Den Kopf tief in den Mantelkragen einziehend und dadurch noch mehr einer Kugel gleichend, aus der unten die Beinchen vorwärtstrippelten, überquerte Plumps den großen Lagerplatz. Eine halbe Stunde Weg lag bis zu seiner Wohnung vor ihm; jetzt war niemand wie am Morgen oder Abend da, der ihn auf einem Fuhrwerk mitnahm. Aber das war gut so. Er brauchte die kalte Luft, denn innerlich glühte er und kam sich vor, als dörre er aus.
Ich gehe nicht wieder in die Ziegelei zurück, dachte er verbittert und stapfte durch die breite Spur, die die Transportwagen in den Schnee gedrückt hatten. Es wird schwer für uns werden. Zwölf Mägen wollen nicht knurren. Aber so kann ich nicht weiterarbeiten. Irgendwo in Wurzen wird man schon einen Buchhalter brauchen, vielleicht beim Sägewerk oder in der landwirtschaftlichen Verwaltung – nur weg von diesem Kochlowsky! Nur weg!
Er war so in seine Gedanken versunken, daß er nicht das wilde Rufen von der Ziegelei her hörte. Auch das dumpfe Hämmern galoppierender Hufe im Schnee überhörte er, und als die Geräusche seine Wahrnehmung erreichten, war es zu spät.
Auf dem Ladehof der Ziegelei hatte sich beim Anspannen vor einen der schweren, flachen Transportwagen ein Pferd losgerissen – keiner konnte sich erklären, was es zu dieser Panik veranlaßt hatte – und rannte nun durch die Einfahrt hinaus auf die Straße, den Weg hinunter, den es vom hundertfachen Hin und Her kannte. Dem Pferd hinterher rannten drei Arbeiter, brüllten »Brrr! Halt! Brrr! Steh!« und knallten mit den Peitschen. Das alles machte das Pferd noch scheuer, es galoppierte wie von Sinnen, wich dem Hindernis auf der Straße, einem runden Gegenstand, nicht aus, sondern überrannte es, schleuderte es zur Seite, wieherte dabei laut und fast kreischend und hetzte weiter.
Theodor Plumps, im letzten Augenblick die Gefahr erkennend, hatte keine Zeit mehr, aus der Bahn zu springen. Der wilde Gaul erfaßte ihn, stieß ihn durch die Luft, einen Huftritt bekam Plumps noch ab, und dann lag er zusammengekrümmt und besinnungslos im Schnee. Ein dünner Blutfaden begann ihm aus Mund und Nase zu rinnen.
Während ein Kutscher dem wahnsinnigen Pferd nachlief, trugen die anderen zwei das Häuflein von Plumps zurück in die Ziegelei. Nun war auch Langenbach wieder da, und Kochlowsky stand neben ihm, auf einmal sehr schweigsam und elend.
Man trug Plumps in den Vorraum des Büros, legte ihn auf einen Tisch und ließ den Sanitäter der Ziegelei holen. Auch das hatte Graf Douglas als erster eingeführt. Da in einer Ziegelei fast täglich ein kleiner Unfall passierte – Gott sei Dank bisher kein großer –, hatte er einen Sanitäter angestellt und einen Krankenraum eingerichtet. Hier versorgte der Sanitäter Quetschungen und leichte Verbrennungen, Rißwunden und sonstige Verletzungen – einmal auch sieben zerkratzte Gesichter. Das war nach einer regelrechten Schlacht unter den Frauen, die ausgebrochen war, als sich herausgestellt hatte, daß ein Brennmeister mit dreien von ihnen eine Liebschaft hatte.
Langenbach und Kochlowsky, letzterer mit einem leisen, geknurrten »Gehen Sie weg, Sie behindern mich!« machten zusammen Plumps Mantel auf, öffneten dann die Jacke und das Hemd und lauschten auf seinen Herzschlag. Eine wächserne Bleiche war über sein dickes, sonst immer rotes Gesicht gezogen, die Augen schienen tief in die Höhlen gesunken zu sein, der fettgepolsterte Brustkorb hob sich beim Atmen kaum.
Kochlowsky zuckte zusammen und drehte sich um. »Anspannen!« schrie er einen der herumstehenden Fuhrleute an. »Sofort meinen Landauer anspannen. Mit den beiden Braunen.«
»Da – da ist nichts mehr zu machen«, stotterte der Kutscher. »Wo wollen Sie denn hin mit ihm?«
»Anspannen, oder ich treibe dich
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