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Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön

Titel: Kochlowsky 2: Und dennoch war das Leben schön Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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blitzend an. Aber der alte Berntitz war kein Mann, der sich vor einer Gefahr verkroch. Er hob die Schultern und sah Kochlowsky verblüfft an.
    »Sie sind der erste«, sagte er, »der eine Kiste rauchen will! Ich weiß leider nicht, ob das Holz schmeckt.«
    Kochlowskys Augenbrauen verengten sich. Die Situation war eindeutig, man konnte sich wohl fühlen. Auf, auf, Kamerad, ins Gefecht!
    »Sie darf sogar drei Groschen kosten«, sagte Kochlowsky vorsichtig.
    »Die Kiste?«
    »Die Zigarre.« Leo war ganz sanft. Wie gefährlich das war, ahnte der alte Berntitz nicht. Aus einer solchen Windstille heraus brach meistens ein Orkan los.
    Berntitz ging zu einem Regal, holte einige Kisten zu drei Groschen das Stück hervor, klappte die Deckel auf und stellte sie vor Kochlowsky hin. Das war so üblich. Der Kunde konnte sich über Form, Farbe und Geruch informieren, ehe er sich für eine Zigarre entschied.
    Kochlowsky nahm die erste Kiste, führte sie an seine Nase, schnupperte und stellte sie angewidert auf die Theke zurück. Der alte Berntitz starrte ihn verwundert an.
    »Was ist denn das?« sagte Kochlowsky, nun schon lauter. »Sie wagen es, mir gerolltes Stroh vorzusetzen?«
    »Die Zigarre stammt aus einer unserer renommiertesten Fabriken …«
    »Trotzdem, sie riecht wie Stroh!« Kochlowsky roch an der nächsten Kiste und warf sie fast weg. »Ha!« rief er dabei.
    »Was ist denn nun wieder?« fragte Berntitz.
    »Hat man die Zigarre mit Mist gebeizt?«
    »Sie ist beste Handarbeit«, rief Berntitz empört.
    »Deshalb! Sie stinkt. Die Leute in der Fabrik sollen sich gefälligst die Hände waschen. Es stinkt nach Pisse!«
    Ehe der vor Empörung zitternde Berntitz die Kisten wegräumen konnte, hatte Kochlowsky eine dritte herausgeholt und roch daran. Sein Gesicht verzog sich vor Ekel. »Wie ein Furz!« schrie er. »Haben Sie Ihr Lager auf dem Lokus? Aber soll man sich wundern? Wir sind ja hier in Wurzen, wo sogar die Pferde furzen!«
    Diese Begebenheit war es, die sich mit Windeseile herumsprach und die Wurzener bis in die tiefste Seele verwundete. Auch der alte Berntitz holte wie erstickend Atem und riß Kochlowsky die Zigarrenkiste aus der Hand.
    »Hinaus!« befahl er – es klang wie ein Aufstöhnen. »Hinaus! Sie … Sie …«
    Er sprach es nicht aus, weil er keinen passenden Ausdruck fand.
    »Eine Kiste zu fünf Groschen!« sagte Kochlowsky ungerührt. »Die da oben. Die kenne ich. Die rauche ich auch!«
    »Nicht einen Krümel bekommen Sie«, bellte Berntitz. »Hinaus aus meinem Laden! Sofort!«
    Kochlowsky nickte, legte abgezählte 12,50 auf die Theke, griff ins Regal, holte sich die Kiste herunter und verließ den Laden. Wie gelähmt starrte ihm der alte Berntitz nach. In sechzig Jahren hatte er so etwas noch nicht erlebt. Er strich das Geld in die Ladenschublade, rannte um die Theke herum, schloß den Laden ab und setzte sich im Hinterzimmer auf das Sofa.
    Was mache ich, wenn er wiederkommt? dachte er, bis ins Innerste aufgewühlt. Da hilft nur eins: Ich schreie um Hilfe!
    Wie kann man so einen Menschen nur frei herumlaufen lassen?
    Nun also war eben diese Kiste Zigarren als Weihnachtsgeschenk bei Buchhalter Theodor Plumps gelandet.
    Berta Plumps hatte vor Aufregung ein rotes Gesicht und ein Zittern am ganzen Körper, als sie Leo Kochlowsky, einen großen Korb mit Geschenken am Arm, vor der Tür stehen sah.
    »Nein, so was!« stotterte sie und wußte keine anderen Worte. »Nein, so was! Sie besuchen uns. Sie sind es tatsächlich! Treten Sie ein … O Gott, ich habe ja eine fleckige Schürze um. Sehen Sie nicht hin … Bitte, sehen Sie nicht hin.«
    Die zehn Kinder saßen starr in dem viel zu engen Wohnzimmer, aufgereiht wie zum Zählappell, und stierten Kochlowsky ängstlich an. Nur das Jüngste, ein Mädchen, trippelte auf ihn zu und fragte unbefangen: »Onkel Leo! Hast du mir was mitgebracht?«
    »Für euch alle!« sagte Kochlowsky, stellte den Korb auf den Tisch und packte aus. Er übersah, daß Berta Plumps zu weinen begann, verteilte seine Geschenke, legte Berta die Wolljacke über die Schulter und griff nach der Zigarrenschachtel. »Wo ist Ihr Mann?«
    »Nebenan. Er muß noch im Bett liegen. Nur weil Weihnachten ist, haben sie ihn aus dem Krankenhaus entlassen.«
    Von einem Berg Kissen gestützt, saß Theodor Plumps im Bett, als Leo ins Schlafzimmer kam. Auch er war fassungslos und begann sofort vor Ergriffenheit zu schnufen. Seine Brust war noch dick bandagiert, aber sonst fühlte er sich wohl.
    »Da ist er ja, der

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