Kochwut
ein Gedanke. Er öffnete den Deckel des Mülleimers neben der Spüle, und da lag noch die Folie, in der das Fleisch eingeschweißt gewesen war.
»Hier Kollege, die kannst du schon mal einsammeln und spurensicher verpacken. Und den Topf mit dem Fleisch nimm gleich auch mit.«
»Brauchst du noch ’nen Sonntagsbraten, oder wat?«, brummte Ameise nur ungnädig und packte die Sachen ein. Auch Jansen sah neugierig nach dem Fleischtopf.
»Das ist nur so eine Idee«, erklärte Angermüller. »Es ist nicht unmöglich, dass dieser Tafelspitz die Tatwaffe ist, mit der Lebouton niedergeschlagen wurde.«
»Was? Wie kommst du denn darauf?«
»Als ich mich vorhin im Lager umgesehen hab, stand die Kühltruhe halb offen, da waren lauter solche Prügel drin. Allerdings beinhart gefroren. Eine Tatwaffe haben wir bisher sonst nicht gefunden. Und dass es den Lebouton dort erwischt hat, ist klar. Und der Anatol hat das Fleisch zum Auftauen hierher gelegt.«
Angermüller schüttelte den Kopf.
»So ein charmanter, sympathischer Typ, aber kriminell bis ins Mark. Wenn meine Vermutung mit dem Tafelspitz stimmt … Ist das nicht unglaublich abgezockt, die Spuren zu tilgen, indem man die Tatwaffe einfach zum Essen serviert?«
»Das wäre wirklich teuflisch genial«, stimmte Jansen zu. »Sag mal, wie bist du eigentlich auf diesen Anatol gekommen?«
»Tja, als Hilde Dierksen erwähnte, dass Lebouton unbedingt selbst herausfinden wollte, ob der Verdacht seines Partners begründet war, und dann noch den Zusammenhang mit der Frage seines Nachfolgers herstellte, da fing es bei mir an zu arbeiten. Weißt du noch, wie Lebouton uns den jungen Mann vorgestellt hat? Naturtalent, bestes Pferd im Stall – er hat ihn in den höchsten Tönen gelobt. Und als ich vorhin zurück in die Küche gekommen bin, da war der Junge weg und da war ich mir dann sicher. Na ja, und da ich wusste, dass Ernie und Anatol viel zusammenstecken …«
»Ganz toll, Angermüller! Das hast du fein gemacht«, stichelte Ameise. »Aber jetzt zeig endlich, wo und was. Meine Zeit ist kostbar, vor allem am Sonntag!«
Bald darauf war die Kriminaltechnik bei der Arbeit, und Jansen sagte: »So, jetzt zauber ich auch mal ein bisschen. Ich liefere dir jetzt nämlich eine Zeugenaussage, die den Verdacht erhärtet, dass Anatol Kerbel auch der Mörder von Christian von Güldenbrook ist.«
Sie sah elend aus. Auch das perfekt aufgetragene Make-up konnte den grauen Teint und die müde Haut heute nicht verbergen. Keine strahlenden Augenaufschläge, keine meerestiefen Blicke.
»Frau Blomberg, wir müssen Ihnen noch ein paar Fragen zu Donnerstagnacht stellen«, begann Jansen. »Sie hatten angegeben, circa um 21.30 Uhr vom Essen zurückgekommen zu sein. Nach einem Glas Wein in der Küche mit einem Kollegen sind Sie dann allein auf Ihr Zimmer gegangen, wo sie wunderbar geschlafen haben. Bleiben Sie dabei?«
»Ach, es kommt mir vor, als ob das ewig her ist.«
Sie legte die Finger einer Hand an die Stirn.
»Ich habe eine entsetzliche Migräne heute.«
»So schwierig ist die Frage doch nicht: Bleiben Sie bei Ihren Angaben, Frau Blomberg?«
»Ja, ja!
Sie schien nur noch ihre Ruhe haben zu wollen. Jansen zog skeptisch eine Braue hoch.
»Sie haben nicht noch Besuch bekommen in dieser Nacht?«
Alix Blomberg sah nicht hoch, massierte sich die Schläfen und schüttelte den Kopf.
»Ich meine Herrenbesuch«, insistierte Jansen und beobachtete sie genau.
»Wie kommen Sie denn darauf?«, fragte sie gleichzeitig leidend und entrüstet, schien aber irgendwie alarmiert.
»Wir haben gewisse Hinweise bekommen.«
Gespannt sah Jansen sie an. Die Sekunden verrannen. Die Moderatorin blieb still.
»Muss ich deutlicher werden, Frau Blomberg? Soll ich seinen Namen sagen oder wollen Sie es tun?«, fragte Jansen.
Einen Moment dauerte es noch, dann reagierte sie.
»Anatol ist zu mir gekommen.«
Sie flüsterte es fast.
»Warum haben Sie uns das verschwiegen, Frau Blomberg?«
Wieder war es einen Moment still.
»Mein Gott, können Sie sich das nicht denken?«, fuhr sie plötzlich wütend hoch. »Ein junger Mann besucht mich mitten in der Nacht, ein Kochlehrling, der halb so alt ist wie ich. Darauf wartet die Skandalpresse doch nur! Soll ich das in die Welt hinausposaunen?«
»Nein, Frau Blomberg. Aber hätten Sie uns vor zwei Tagen die Wahrheit gesagt, dann hätte es wahrscheinlich den Angriff auf Herrn Lebouton nicht auch noch geben müssen.«
So richtig wollte Alix Blomberg ihren Fehler nicht
Weitere Kostenlose Bücher