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Kochwut

Titel: Kochwut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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sich nach dem Tod eines Partners veränderten, und es hatte sie auch nie interessiert.
    Aber wäre Pierre zu so einem Verbrechen fähig? Sie merkte, dass sie ihn eigentlich viel zu wenig kannte, um das beurteilen zu können. Ihr Gefühl sagte ihr, dass er niemals so etwas Schreckliches tun könnte. Andererseits kannte sie die Gerüchte über seine gewaltigen Wutausbrüche. Sie selbst hatte ihn noch nie so erlebt. Vielleicht verlor er in diesem Zustand ja wirklich die Kontrolle über sich. Doch natürlich hoffte sie, dass es nicht so war.
    »Hilde, du bist ja so still heute!«
    Ein erstaunter Blick aus ihren großen Augen begleitete Alix’ besorgten Kommentar. Zum zweiten Mal in ihrem Leben saß Hilde heute mit Alix an einem Tisch, und Alix redete, als ob sie sich schon Jahre kennen würden. Außerdem war deutlich, dass Hilde dankbar sein musste, dass die Königin huldvoll das Wort an sie richtete.
    »Es ist ja auch nicht gerade ein Tag zum Jubeln, finde ich, und wenn ich was zu sagen habe, dann werd ich das auch tun, Alix. Aber vielen Dank für deine Fürsorge.«
    Hilde zwang sich zu einem freundlichen Gesicht. Bloß nicht als giftige Alte rüberkommen.
    Sie war die bei Weitem älteste Frau hier am Tisch, und von den Männern war nur Pierre noch ein Jahr älter als sie. Ihm sah man sein Alter überhaupt nicht an, aber leider waren Männer da ohnehin im Vorteil. Ihre Jahre wurden ihnen nicht vorgehalten, als ob es ihr persönlicher Fehler wäre, sie bereits hinter sich gebracht zu haben. Entsprach das Aussehen einer Frau aber ihrem tatsächlichen Alter, wurde ihr das gleich zum Nachteil ausgelegt. Frau hatte sich zu pflegen und jung zu bleiben. Jeden Morgen beim Blick in den Spiegel dankte Hilde ihren Genen für die jugendlich glatte Haut, mit der sie immer noch ausgestattet war, denn auch sie war nicht frei von Eitelkeit.
    Pierre lächelte ihr zu und sah dann auf seine Uhr. Auch Hilde sah nach der Uhrzeit. Es war bereits nach 23 Uhr.
    »Ich glaube, ich sollte jetzt gehen«, sagte sie dann und erhob sich. »Ich muss morgen pünktlich den Laden aufmachen. Vielen Dank für die köstliche Bewirtung. Das hat ganz wunderbar geschmeckt, Ernie und Anatol! Eine gute Nacht allerseits!«
    Auch Pierre war aufgestanden.
    »Ich ziehe mich auch zurück. Gute Nacht, meine Herrschaften, wir sehen uns morgen um 9 Uhr!«
    Im Flur half er ihr in die Jacke.
    »Ich bring dich noch.«
    Ein leichter Wind empfing sie, als sie auf den weiten Innenhof von Güldenbrook traten. Feine Nebelschwaden zogen vorm Herrenhaus vorbei. Es herrschten immer noch frostige Temperaturen.
    »Nebel und Wind bei dieser Kälte, das heißt, es kann wirklich glatt sein. Zum Glück haben wir es ja nicht weit.«
    Pierre bot Hilde seinen Arm, und sie gingen vorsichtig über die alten, unregelmäßigen Pflastersteine, die zum Teil wirklich schon gefährlich rutschig waren. Friedlich lag das Verwalterhaus mit seinem Reetdach im Dunkel. Nur die Laterne über der Haustür warf einen kleinen Lichtkegel auf den Hof. Im Flur brannte das Nachtlicht.
    »Dein Vater schläft wohl schon.«
    »Aber klar! Es ist ja schon nach elf. Hinrich liegt bestimmt schon seit über einer Stunde im Bett. Er ist abends immer ziemlich geschafft. Zum Glück schläft er sehr gut und ist für seine 86 Jahre am Morgen wieder ganz schön fit.«
    »Ich mag deinen Vater. Er ist wirklich noch bewundernswert aktiv und munter für sein Alter!«
    »Er mag dich auch, Pierre. Er hat heute erst der Polizei gesagt, was für ein fleißiger, freundlicher Mensch du bist und dass er sich gern mit dir unterhält.«
    »Ach, die Polizei war auch bei euch? Wie hat dein Vater denn Christians Tod aufgenommen?«
    »Er war entsetzt, das kannst du dir ja denken. Er kannte Christian von klein auf. Er nannte ihn zwar nur den Herrn Grafen, aber ich denke, die beiden hatten doch ein sehr persönliches Verhältnis, vor allem nach dem frühen Tod von Christians Vater.«
    Sie waren vor der Haustür angekommen.
    »Magst du noch mit reinkommen?«
    »Heute nicht, Hilde. Ich bin ziemlich kaputt, und morgen ist auch wieder ein anstrengender Tag.«
    »Die Sache mit Christian ist auch an dir nicht spurlos vorübergegangen, hab ich recht?«, fragte sie und sah aufmerksam in sein von der Laterne erhelltes Gesicht.
    »Tja, auch wenn wir nur Geschäftspartner waren: Er wird mir fehlen. Er war meine perfekte Ergänzung.«
    »Und im Herrenhaus wird es jetzt auch ziemlich einsam sein«, stellte Hilde fest.
    »Mit dem Wissen, dass er nicht mehr

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