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Kochwut

Titel: Kochwut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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verspürte er ein flaues Gefühl im Magen und wusste auch gleich, was es war. Sein Tag war wirklich lang gewesen, und außer zwei Scheiben Vollkornbrot zum Frühstück und der Münstertaler Fleischtorte auf der Rückfahrt von Güldenbrook hatte er nichts weiter gegessen. Der Gedanke an eine schöne, heiße Pasta al dente ließ seinen Magen knurren. Einen Augenblick zögerte er. Sollte er wirklich mitten in der Nacht noch so ein üppiges warmes Nudelgericht zu sich nehmen? Wäre es nicht besser, die Chance zum Kalorienverzicht zu nutzen, nur noch ein Glas Rotwein zu trinken und dann schlafen zu gehen? Doch geradezu magisch zog es ihn in seine Küche.
    Goldgelbe Spaghetti dampften kurz darauf in einem tiefen Teller. Auf ihnen ruhte ein großes Stück Butter, das ganz langsam zu schmelzen begann. Georg streute eine gute Portion frisch geriebenen Parmesan darüber und würzte zum Schluss mit schwarzem Pfeffer aus der Mühle. Er öffnete eine Flasche Barolo und setzte sich dann ganz gegen seine Gewohnheit mit seinem köstlichen Mahl vor den Fernseher. Es lief gerade eine Werbepause. Schürzen und Topflappen, die Maja Graflinger entworfen hatte, und Soßenfonds, nach dem Originalrezept von Pierre Lebouton wurden angepriesen. Dann wurde darauf hingewiesen, dass diese Sendung gemeinsam von einem großen Schokoladenhersteller und einer Sektkellerei präsentiert wurde. Auf der Mattscheibe konnte Angermüller nun das Ritual beobachten, das er heute schon im Studio erleben durfte. Lebouton, Maja Graflinger und ein jüngerer Kollege, der vielleicht 30 Jahre alt war und vor allem durch seinen langen Haarzopf und ein Kopftuch nach Piratenart auffiel, verkosteten die Pasta-Kreationen der beiden Kandidaten.
    Weder von der kunstvoll aus Nudelteig gefertigten Roulade, die der Hobbykoch noch mit Provolone dolce gratiniert hatte, noch von den Cannelloni mit der Zitronengras- Krebsfleischfüllung unter frischer Tomaten-Basilikum-Soße waren die Profis sonderlich beeindruckt. Maja Graflinger mäkelte gelangweilt an den Speisen herum, redete ansonsten vor allem über sich und vergab jeweils zweieinhalb Punkte. Sie schien schlecht gelaunt, und ihr Lächeln wirkte unecht. Georg dachte an Ameises Anruf vorhin, der mitgeteilt hatte, dass sie in der Garderobe auf Güldenbrook nicht einen einzigen Hinweis auf die Art und Weise gefunden hatten, wie Maja Graflinger das Gift verabreicht worden war. Morgen würden sie hoffentlich mit ihr sprechen können, und das würde gewiss neue Erkenntnisse bringen.
    Georg konzentrierte sich wieder auf das Geschehen in der Show. Der Pirat spuckte bei beiden Gerichten angeekelt den ersten Bissen wieder aus, das Publikum buhte laut, worauf er mit einem mit Cannelloni voll beladenen Löffel auf einen Zuschauer zustürmte und ihm alles auf einmal in den Mund schob. Der Mann machte gute Miene zum bösen Spiel, kaute, schluckte und wagte zu sagen, er fände den Geschmack eigentlich ganz lecker.
    »Lecker? Das soll lecker sein? Was machst du hier eigentlich, wenn du Hornhaut auf der Zunge hast?«
    Hilflos grinste der Zuschauer in die Kamera, während der wild gewordene Pirat zurück zur Küchenzeile rannte und jedem der Kandidaten einen ›Trostpunkt‹ gab, wie er das nannte. Auch er war nicht direkt sympathisch, doch sein brachialer Humor kam bei den Zuschauern an, weshalb er schließlich begeisterten Beifall erntete. Einzig Lebouton setzte sich ernsthaft mit den Kreationen der Hobbyköche auseinander, gab Tipps und schließlich den Cannelloni zwei und der Nudelroulade immerhin drei Punkte. Dann sprach Alix Blomberg, die bei diesem Auftritt einen fliederfarbenen Hosenanzug trug, den ziemlich enttäuschten Kandidaten wieder Mut zu und verwies auf die neue Chance in der nächsten Woche.
    »Bis dahin: Genießen Sie das Leben – aber bleiben Sie uns bitte treu!«
    Was für eine bescheuerte Sendung, dachte Angermüller nur, als die Titel liefen. Vor ihm stand der leere Teller. Spaghetti al burro war ein wirklich simples Gericht, aber wie so vieles, das einfach und unverfälscht, aber mit besten Zutaten daherkam, war es ein vollkommener Genuss. Er fühlte sich angenehm satt und zufrieden, schenkte sich noch ein Glas Rotwein ein und wollte das Fernsehgerät gerade ausschalten, als die dramatische Ankündigungsmelodie des Nachrichtenmagazins von TVX Kabel erklang. In kurzen, schnellen Schnitten wurde ein Überblick über die Themen der Sendung geliefert. Plötzlich erkannte Angermüller unter den vielen Bildschnipseln das

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