Kochwut
da ist, ja. Aber privat haben wir kaum etwas miteinander zu tun gehabt. Du findest das vielleicht merkwürdig, aber ich hab dir ja schon gesagt, wir fanden das beide besser so«, sagte Pierre und sah sie an. »Diese Kälte geht einem ja bis auf die Knochen. Ich sag dir jetzt lieber gut Nacht. Ich hab auch noch etwas zu tun. Ich hatte mit Christian gestern noch so eine Meinungsverschiedenheit, und da ist mir vorhin etwas eingefallen …«
»Worum ging es denn?«
»Ich möchte noch nichts darüber sagen, es ist ja nur so eine Idee. Vielleicht weiß ich morgen schon mehr. Aber ich erzähl’s dir erst, wenn ich mir ganz sicher bin.«
»Verstehe. Magst du morgen Abend zum Essen kommen? Vadder hat sich Grünkohl gewünscht.«
Pierre sah sie an.
»Vielleicht. Und dein Vater mag mich also wirklich?«
Hilde nickte.
»Dann kannst du mich ihm ja bald offiziell vorstellen, oder?«
Hilde nickte wieder. Pierre umarmte sie und hielt sie ganz fest. Furchtbar peinlich waren ihr jetzt die Überlegungen, die sie drüben im Kavaliershaus angestellt hatte. Zum Glück konnte er ihre Gedanken nicht lesen. Sie kuschelte sich an ihn und genoss seine Nähe.
»Und was ist mit dir? Mit der ganzen Presse, der Öffentlichkeit?«, fragte sie ihn.
»Mach dir deswegen keine Gedanken. Früher oder später werden sie es sowieso mitbekommen. Von mir aus. Da wird am Anfang ein Rauschen im Blätterwald sein, und dann beruhigen sie sich wieder. Wir beide werden denen doch keine weiteren Schlagzeilen liefern, mit wilden Partys und Drogenexzessen, oder?«
Als Hilde die Tür hinter sich geschlossen hatte, entfuhr ihr ein glücklicher Seufzer. Morgen beim Frühstück würde sie sich ein Herz fassen und Hinrich erzählen, dass sie und Pierre inzwischen ein Paar waren. Mein Gott, dachte sie dann, bald 60 Jahre und Schmetterlinge im Bauch! Hab ich ein Glück!
Kapitel V
»Na dann, Claus, bis morgen in alter Frische. Gut Nacht.«
Angermüller schloss die Autotür, und ungewohnt langsam fuhr sein Kollege davon in den späten Feierabend dieser Freitagnacht. Wahrscheinlich hatte sich Jansen den Abend einmal anders vorgestellt, sicherlich jedoch war die Vorstellung seiner aktuellen Freundin Vanessa eine andere, denn sie hatte ihm alle halbe Stunde eine SMS geschickt. Vorsichtig setzte Angermüller Schritt vor Schritt auf den Gehweg, der im Licht der Straßenlaternen verdächtig glänzend vor ihm lag. Es war höllisch glatt geworden, auch die Stufen hinauf zur Eingangstür waren mit einer dünnen gefrorenen Schicht überzogen. Schnell ging er noch zu der hölzernen Kiste neben der Treppe und streute ein paar Schippen Sand vor den Eingang.
Schon als er die Haustür aufschloss, hörte Georg Angermüller das laute, rhythmische Klatschen. Es kam aus dem Wohnzimmer. Kurze, spitze Begeisterungsrufe mischten sich dazwischen. Er zog im Flur seine Jacke aus und legte den Schal ab. Nebenan herrschte ausgelassene Partystimmung. Vorsichtig öffnete er die Wohnzimmertür. Der Fernseher lief auf voller Lautstärke, und vier Mädchen, alle in gleichartigen, irgendwie rosafarbenen Pyjamas, hopsten aufgeregt auf dem Sofa herum und klatschten dabei ununterbrochen in die Hände.
»Guten Abend, die jungen Damen!«
Nur Julia schien ihn gehört zu haben und drehte sich um.
»Huch! Papa!«, schrie sie aufgekratzt und hopste munter weiter. Inzwischen waren die anderen auch auf ihn aufmerksam geworden. Die beiden Freundinnen sprangen sofort vom Sofa, blickten etwas schuldbewusst und kicherten albern hinter vorgehaltener Hand, während seine Töchter sich nicht beim Toben stören ließen.
»Julia! Judith! Könnt ihr vielleicht euren wilden Tanz auf dem Sofa beenden!«, bemühte sich Georg um einen strengen Ton. »Und bitte stellt den Fernseher leiser. Es ist nicht nötig, dass ihr die ganze Nachbarschaft mit unterhaltet!«
Sofort hüpften die beiden herunter, und Julia angelte nach der Fernbedienung. Zu seiner Überraschung sah Angermüller auf dem Bildschirm das ihm mittlerweile vertraute Gesicht von Alix Blomberg.
»Ihr scheint ja einen schönen Abend zu haben!«
»Erst gab’s DKDTQ und jetzt ›Voilà Lebouton!‹«, rief Judith begeistert.
»Ja, und Samantha-Marie hat gewonnen! Die fanden wir auch alle so süß, und eben haben wir Anatol gesehen. Der ist noch viel süßer!«, ergänzte Julia und quietschte übermütig.
»Was ist denn DKDQW oder wie das heißt?«
»Deutschland krönt die Teenie-Queen natürlich. Und Papa!«, rief Judith plötzlich aufgeregt.
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