Kochwut
wenn was schiefläuft!«
»Ach Blödsinn! Du kannst doch nichts dafür, wenn der Chef nicht da ist. Wart ihr denn schon im Herrenhaus und habt nach ihm geschaut?«
»Nachdem ich Pierre telefonisch nirgends erreicht habe, hab ich als Erstes bei Frau Hase im Büro angerufen. Sie hat nachgesehen und war sogar mit dem Ersatzschlüssel in seiner Wohnung. Da war er aber nicht!«
»Was ist mit seinem Wagen? Vielleicht ist er damit unterwegs?«, schlug Hilde vor.
Grit deutete in Richtung Herrenhaus.
»Der steht da drüben.«
Das war wirklich eigenartig. Hilde überlegte krampfhaft, welche Möglichkeiten blieben.
»Habt ihr denn schon im Kavaliershaus überall nach ihm geschaut?«
»Logo!«
Unwillig schüttelte Grit den Kopf.
»Dort ist ja das Team überall verteilt, und so groß ist das nicht, dass da einer verloren gehen kann.«
»Und was ist mit dem Restaurant?«
»Da hab ich Ernie und Anatol hingeschickt. Fehlanzeige.«
Irgendwas musste passiert sein. Natürlich schoss Hilde sofort der Gedanke an Christians Schicksal durch den Kopf, und sie spürte, wie eine tiefe Angst in ihr hochkroch. Doch Grits Hysterie gab ihr das Gefühl, jetzt Verantwortung übernehmen zu müssen, und so zwang sie sich zu nüchternem Pragmatismus.
»Okay, das sieht ja nicht so aus, als ob wir das Problem in den nächsten fünf Minuten gelöst bekommen. Also ich an deiner Stelle würde das Publikum erst mal wegen technischer Schwierigkeiten ins Restaurant komplimentieren und mit Gratisgetränken ruhigstellen. Das macht ihr doch sonst auch immer so, wenn’s irgendwelche Verzögerungen gibt.«
Grit nickte eifrig.
»Stimmt. Das ist eine gute Idee.«
»Und wenn Pierre, sagen wir, in einer halben Stunde, immer noch nicht da ist, dann müsst ihr eben die Zuschauer mit Bedauern nach Hause schicken.«
»Ja, so machen wir’s«, stimmte die Regieassistentin mit fester Stimme zu. Sie schien sich wieder gut im Griff zu haben.
»Die Leute werden zwar stinksauer sein und maulen, aber was sollen wir sonst machen? Das kriegen wir schon hin, wenn er bis dahin wirklich nicht da sein sollte.«
Eigentlich wollte Hilde sich diese Möglichkeit gar nicht vorstellen und hoffte einfach nur, dass Pierre in der nächsten halben Stunde hier wieder auftauchte, wo auch immer er gewesen sein mochte. Doch dann fügte sie leise hinzu: »Wenn euer Chef dann immer noch verschwunden ist, sollten wir die Polizei informieren.«
Angermüller langweilte sich. Das einzig interessante Gespräch – das musste er zugeben – hatte er vorhin mit Martin geführt, der nach seiner Tirade über wohlsituierte Zeitgenossen und deren Bürgersinn zu ihm gekommen war und ihm voll und ganz beigepflichtet hatte. Allerdings leise und diskret und ohne sich zu exponieren. Auch wenn er Martin gegenüber gewisse Vorbehalte hatte, waren dessen Ansichten ganz vernünftig. Schließlich arbeitete er in seinem Job in der Beratungsstelle für Asylbewerber aus Überzeugung und war, genau wie Astrid, dabei sehr engagiert.
Jetzt machte Martin wie üblich den Unterhalter, und immer wieder erklang lautes Gelächter aus der um ihn versammelten Runde. Eine ganze Weile stand Angermüller unschlüssig am Buffet herum. Sehnsüchtig sah er durch die großen Fenster nach draußen in den kalten, sonnigen Wintertag. Die Veranstaltung hier würde noch eine ganze Weile dauern. Am Nachmittag sollte es auch noch Kaffee und Kuchen geben, und jetzt war es gerade mal zwölf. In seiner rechten Schläfe spürte er ein Pochen. Jetzt kriegte er auch noch Kopfschmerzen.
»Na, Robin Hood?«
So launig Astrids Anrede klang, Georg spürte doch den kritischen Unterton. Sie stimmte ihm zu, doch sie fand es vergeudete Energie, auf Familienfeiern kritische Themen anzusprechen, und hielt sich auch meist konsequent daran.
»Tut mir leid, dieser Volker hat so einen Stuss erzählt, da konnte ich einfach nicht meine Klappe halten«, sagte er leise und rieb sich die rechte Stirnhälfte.
»Das versteh ich ja. Trotzdem, das bringt doch nichts. Es verdirbt dir die Laune und den anderen wahrscheinlich auch. Außerdem: Willst du, dass sie dich für einen Spinner halten?«
»Das tun sie doch sowieso.«
Astrid ging auf diesen Einwurf nicht ein.
»Wollen wir ein bisschen spazieren gehen? Ich find’s auch nicht so unterhaltsam hier. Den Kindern fehlen wir nicht. Die amüsieren sich oben mit ihren Cousins und Cousinen.«
»Ist das nicht unhöflich, wo wir erst seit einer Stunde hier sind?«, fragte Angermüller etwas
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