Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irrtümlich sesshaft
Vom Netzwerk:
Lautfärbungen.
    „Ihr sprecht hier das R anders aus, ein klein wenig rollender, darin besteht der Hauptunterschied. Ein bisschen merkt man es auch am I...“
    „Ach ja?“, unterbrach sie ihn gelangweilt.
    Mist, das war nun offenbar doch nicht ihr Thema. Sie entzog ihm ihre Aufmerksamkeit und schaute auf die Uhr.
     
    „Meine Freundin ist nicht die Allerpünktlichste.“
    „Vielleicht findet sie keinen Parkplatz.“
    „Nein, das ist es nicht, man kann hier direkt vor der Tür parken. Sie ist nur zu schusselig.“
    Richtig, hier waren lauter freie Parkplätze. Ein weiterer Minuspunkt, wohl der entscheidende. Sie nahm ihn kaum noch zur Kenntnis, und er stellte alarmiert fest, dass ihn das mehr kümmerte als es hätte nach der kurzen Begegnung der Fall sein dürfen. Er beschloss, sich zu verdrücken.
    „Also, ich schaue dann mal weiter...“
    „Ich dachte, Sie haben nichts weiter vor. Gehen Sie doch mit uns wieder hinein, wie wäre es?“
    „Gern, wenn es Ihnen nichts ausmacht.“
    Mit ähnlich nichtssagendem Hin und Her ging es noch einige Minuten weiter, dann traf die Freundin ein. Lothar Sahm hatte erwartet, diese Freundin müsse ähnlich attraktiv sein wie die Frau, die er nun schon ein bisschen kannte, wenn auch noch nicht namentlich. Er wurde enttäuscht. Vor der Single-Bar hielt ein angerosteter Japaner, am Steuer saß eine unauffällige Brillenträgerin um die 40. Das Einparken misslang ihr aufs Peinlichste; als sie es aufgab, stand sie mit dem Hinterreifen halb auf der Bordsteinkante. Sie kämpfte mit ihrer viel zu großen Handtasche, während sie drei Versuche brauchte, die Tür abzuschließen. In gebückter Haltung kam sie mit ungelenken Schritten ums Auto herum.
    „Hallo, ich bin mal wieder zu spät“, nuschelte sie, ohne ihre Freundin dabei richtig anzuschauen. Den Fremden neben ihr nahm sie zwar mit einem hastigen Seitenblick wahr, aber wie einen Störfaktor, jemanden, der zwar mit herumstand, aber nicht dazugehörte. Sie war etwas größer als Lothar Sahm, hatte breite Schultern, ihre Haare wirkten verfilzt. Mit ihrer Ankunft war der Abend, der gerade vielversprechend zu werden begonnen hatte, schwer beeinträchtigt.
    Sie gingen hinein, fanden einen Tisch, bestellten. Erst ging es um den Anlass der Verspätung: Sie war mit der Hausordnung dran gewesen und hatte ganz vergessen, noch die Mülltonnen für die Leerung am nächsten Tag an den Straßenrand zu schieben. Lothar Sahm fiel auf, dass man sich noch gar nicht vorgestellt hatte. Claudia lautete der Name, auf den er sehr neugierig gewesen war; den Namen Vera nahm er kaum zur Kenntnis. Zunächst redeten die beiden Frauen über diverse Neuigkeiten aus ihrem Freundinnenkreis, dann ging es ans Kennenlernen. Claudia war Sprechstundenhilfe bei einem Zahnarzt. Lothar Sahm hatte schon immer interessiert, welche Aufgaben dieser Beruf mit sich brachte, er stellte ihr eine Frage nach der anderen. Leider kam diese, wie hieß sie noch, mit ihrem Beruf dazwischen: irgendwas mit Verkäuferin. Dann musste er über sich erzählen, und was ihm über die Rundschau so einfiel, gab den beiden Frauen ein ganz neues Bild des Redakteurs-Berufes, den sie immer als anspruchsvoll und abwechslungsreich eingeschätzt hatten. Weil Lothar Sahm nur Augen für Claudia hatte, bemerkte er nicht, dass Vera sich sehr mit seinem Anblick beschäftigte.
    Als das berufliche Beschnuppern abgeschlossen war, suchten Claudia und Vera gemeinsam die Toilette auf. Lothar Sahm überlegte angestrengt, wie man diese Dingsbums loswerden konnte. Merkte die denn nicht selbst, dass sie mit ihrer Verspätung in etwas hineingeplatzt war, das nun ihretwegen stockte?
    Keine fünf Minuten, nachdem die Freundinnen von der Toilette zurück waren, trank Claudia plötzlich ihr halbvolles Glas Orangensaft in einem Zug leer und stand auf.
    „Seid mir nicht böse, aber ich muss morgen früh raus. Mach’s gut, Lothar, vielleicht sieht man sich irgendwann mal. Einen schönen Abend euch beiden.“
    Lothar Sahm war wie vom Donner gerührt. Sein Protest, es sei doch noch nicht mal 22 Uhr, half ihm nichts: Sie flüchtete förmlich. Und er hatte die verspätete Freundin am Hals. Inzwischen hatte sie drei Gläser Prosecco vertilgt, ein viertes bestellt, sie kiekte und kasperte herum. Lothar Sahm wünschte sich weit weg, am liebsten zu seinen neuen Gartenstühlen und Pralinenpäckchen. Konnte die nicht schneller austrinken? Sie redete und redete, aber so leise, dass er sie kaum hören konnte, er musste sich

Weitere Kostenlose Bücher