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Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irrtümlich sesshaft
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und das würde keine angenehmen Begegnung sein, aber er schrieb trotzdem weiter. Alaska – zusammen mit seinem Auswandererpaar kam er endlich wirklich an in diesem Land. Den Reiseführer zu schreiben hatte ihn die Weite der Wälder nüchtern rekapitulieren lassen, aber jetzt roch er sie, jetzt brauste ihm der Wind um die Ohren, und er hörte die Zweige rauschen. Vielleicht lauerten hinter dem nächsten Gebüsch ein Grizzly und ein schneller Tod, vielleicht erwarteten ihn ein Gletscher und ein neues Erdbeben, dem er nachspüren und mit dem er in Unsterblichkeit verklingen konnte. Zwischen den Seiten seines Romans, endlich, erfüllten sich seine Sehnsüchte. Er wollte zurück in dieses Land und es wirklich begreifen.
    Ohne es zu merken, begann er zu leben, als wäre er schon in der Wildnis zu Hause. Zeitplanung und regelmäßige Körperpflege wurden ihm lästig, dann gleichgültig. In der Rundschau erschien er, wann es ihm einfiel, und das hieß: nicht bevor seine tägliche Seite vollendet war. Das konnte früh am Morgen sein, aber nie so früh, dass Liane Czibull nicht schon dort gewesen wäre; das konnte aber auch am sehr späten Vormittag sein.
    „Sie haben sich verändert“, stellte seine Chefin eines Mittags fest, als er indes nicht zu spät kam, sondern von einem Termin, also mit dienstlich bedingter Verzögerung. Ihren eher freundschaftlichen Ton war er in der Stimmung vorwurfsvoll zu deuten und gereizt zu beantworten.
    „Hoffentlich zum Positiven.“
    „Schwer zu sagen. Ihre Arbeit ist zumindest nicht schlechter geworden. Aber was bedeutet eigentlich dieses Holzfäller-Outfit? Und soll das in Ihrem Gesicht etwa ein Bart werden?“
    „Von einer Kleider- und Bartordnung bei der Rundschau habe ich noch nichts gehört.“
    „Aber dass der Geschäftsführer sehr auf Pünktlichkeit achtet, dürfte nicht neu sein.“
    „Hauptsache ist doch wohl, dass die Zeitung ohne Verspätung in Druck geht.“
    „Ich meine ja nur. Solange es nicht schlimmer wird...“
     
    Aber es wurde schlimmer. Seine Verwahrlosung begann mit einem Besuch Ellens bei ihm zu Hause, der ersten Begegnung seit ihrem Streit aus Anlass der Reiseführer-Absage zwei Monate zuvor und ihrem zweiten Besuch bei ihm überhaupt, seit sie sich mit vier Reißzwecklöchern und damit als indirekte Verursacherin einer Schramme an seiner Haustür verewigt hatte. Sein Haus von innen hatte sie dabei nur bei einigen heimlichen Blicken durch die Fenster gesehen. Daher war das Erste, was ihm in seiner Verlegenheit einfiel, als sie nun unvermittelt abends um halb neun bei ihm im Vorgarten stand und seinen Namen rief, weil sie im Dämmerlicht die Klingel unter dem Laub des inzwischen üppig um den Eingangsbereich rankenden wilden Weins nicht fand: eine gründliche Hausbesichtigung. Sie hinkte ihm hinterher die Treppen hinauf und erklomm tapfer die Holzleiter durch die Luke zu seinem Arbeitszimmer im Dachgeschoss, wo er die Führung begann.
    „Wer ist denn der mit dem Besen?“, fragte sie, als sie vor seinem Schreibtisch stand, und schaute ihn dabei an, als sei ihr nun so manches klar.
    Lothar Sahm war egal, was sie dachte, er hatte keine Lust auf lange Erklärungen.
     
    „Ein berühmter Schauspieler. Den habe ich mal interviewt kurz vor seinem Tod, da hat er mir das Bild geschenkt.“
    Ellen nickte bloß. Die steile Leiter rückwärts tat sie sich besonders hart mit ihrem Fuß. Bad und Gästezimmer im ersten Stock interessierten sie wenig, sein Schlafzimmer aber besah sie sich sehr aufmerksam. Unten im Wohnzimmer, er wollte sie noch in den Garten führen, brach sie die Besichtigung ab.
    „Du wirst dir schon denken können, warum ich hier bin.“
    Er wollte gerade die Terrassentür öffnen, hielt inne, wandte sich ihr zu.
     
    „Der Verlag hat seine Absage bekräftigt?“
    „Sie haben mir deine Texte auch mit zurückgeschickt. Wenn du nichts dagegen hast, möchte ich sie als Andenken behalten. Ich finde sie gar nicht so schlecht.“
    „Na danke schön! Woran hat es denn dann gelegen?“, fragte er giftiger als er eigentlich wollte.
    „Ich weiß es nicht. Eine reine Standard-Absage, bloß ein paar Zeilen. Ich habe den Eindruck, die haben sich unser Zeug nicht mal angeschaut.“
    „Und dein Kalender?“
    „Na ja, den machen sie wenigstens. Aber da hast du ja nichts davon.“
    Lothar Sahm ging in die Küche, kam mit einer Flasche Ananassaft und zwei Gläsern zurück, schenkte ein.
    „Weißt du, ich sollte das vielleicht nicht sagen, weil du sonst wieder

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