Köhler, Manfred
man sich verlassen konnte und mit dessen Leistungen man einverstanden war. Schon das und ihr geheimnisvolles Lächeln dazu waren ihm wie Nadelstiche in den Ballon seiner Pläne. Aber sie öffnete sich noch viel weiter und verhängnisvoller. Beschämt druckste sie um ein Thema herum, das ihr am Herzen lag, und ging dann mitten hinein:
„Als ich damals bei euch angefangen habe, war ich ein echter Kotzbrocken, ich weiß das, und es tut mir leid, vor allem dir gegenüber. Ich kam als Fremde mit großen Plänen, und ich wusste, ich würde diese Pläne nur verwirklichen können, wenn ich es ausnützen würde, niemand zu kennen und zu mögen, wenn ich mir keine Freunde machte sondern ausschließlich Feinde. Zu Feinden kann man fies und falsch sein, man hat auch dann kein schlechtes Gewissen, wenn man selbst Verursacherin dieser Feindschaft war. Ich wollte deinen Platz, nicht den von Wonschack, da hätte ich zu viel Alltags-Ärger am Hals gehabt. Es war alles geplant, ich sah das als letzte Chance mit fast 40, ich musste sie wahrnehmen, also durftest vor allem du mir keinesfalls sympathisch werden oder Anlass haben, zuvorkommend zu mir zu sein, das hätte mir alles zerstört. Und jetzt, na ja, manchmal denke ich, das steht immer noch zwischen uns und ich müsste dir endlich deinen alten Posten zurückgeben. Aber dann denke ich wieder, so wie ich dich jetzt kennengelernt habe, bist du sogar froh darüber, wie es gekommen ist. Du bist kein Typ, der in eine Hierarchie eingeklemmt sein und Verantwortung tragen will. Habe ich recht?“
Also besser hätte es doch gar nicht laufen können: Das war DAS Stichwort!
„Vollkommen. Eigentlich muss ich dir dankbar sein, und ich trage dir das alles auch längst nicht mehr nach, es ist vergessen. Weißt du, ich habe entdeckt, seit ich nicht mehr so viel redigieren und mich mit Crähenberger herumärgern muss wie früher, ich weiß jetzt, wie gern ich schreibe. In verantwortlicher Position, da muss man es so vielen Leuten recht machen, man sitzt zwischen allen Stühlen, und das ist mir so zuwider! Ich arbeite lieber eigenverantwortlich, nach meinem eigenen Rhythmus, eigentlich fühle ich mich immer noch viel zu angebunden. Ich schreibe doch auch Bücher, weißt du...“
„Und das solltest du auch weiter tun, das wollte ich dir schon lange sagen. Ein schöneres und lohnenderes Hobby als Ergänzung zu unserem Beruf kann man sich doch gar nicht vorstellen.“
„Für mich ist das inzwischen eigentlich viel mehr als ein Hobby.“
Er gab ihr einen Blick dazu, der seine Sehnsucht und seinen Zwiespalt ausdrücken sollte – sie sollte selbst draufkommen.
„Das kann ich mir vorstellen, du hast ja Erfolg damit. Wie ist denn dieser Reiseführer gelaufen?“
„Der Reiseführer, also, der eigentlich eher nicht so gut.“
„Aber das hat nichts zu sagen, mach dir da keine Gedanken, mit Büchern ist nichts verdient, da musst du schon zu den ganz Großen gehören. Wichtig ist, dass du was veröffentlicht hast bei einem richtigen Verlag. Ich freue mich da nicht nur aus ganz uneigennützigen Gründen darüber. Ich muss dir was gestehen.“
Er schaute sie an, verdutzt und unwillig, denn er ahnte, was nun kommen würde, konnte gar nicht gut sein für den Gesprächsverlauf wie er ihn vorgesehen hatte. Sie deutete seinen Blick als neugierig-fragend.
„Es gibt da einen Wettbewerb für Lokalzeitungen. Auf europäischer Ebene. Es geht um zukunftsweisende, innovative Gestaltung in den Bereichen Layout, Leitbild und allgemeine Struktur. In Sachen Struktur haben wir so gut wie gewonnen, es gibt nichts Vergleichbares zu unserem Modell. Am Layout knoble ich seit Monaten, ich bin fast fertig und wollte dich längst schon einweihen, ich will zum Jahreswechsel umstellen. Für das Leitbild brauche ich deine Hilfe, das müssen wir gemeinsam entwickeln, da bin ich nicht lange genug in Wallfeld dafür, es muss ja mit den lokalen und regionalen Gegebenheiten zusammengehen.“
Sie hatte sich in Begeisterung geredet, hielt kurz inne und preschte dann weiter zum Höhepunkt.
„Aber das Beste sind zwei Dinge: erstens, dass wir mit der neuen Struktur bereits die Auflage gesteigert haben und bald weiter steigern werden, der Geschäftsführer steht da voll hinter mir. Das heißt, unser Konzept geht auf. Und dann du. Wir haben Mitarbeiter in unserer Redaktion, die sich über das dienstliche Maß hinaus engagieren und Bücher schreiben. So was kann den Ausschlag geben. Wir holen uns den Preis! Was sagst
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