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Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irrtümlich sesshaft
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mir den wirklichen Grund!“
    „Das ist der Grund. Es gibt keinen anderen. Ich will noch mal was wagen, solange ich ungebunden bin und noch ein bisschen Mut dafür aufbringe. Sehen, ob ich nicht mehr kann als nur... ach, was soll’s. Ich weiß doch selbst nicht, ob es richtig ist. Ich weiß nur, dass ich keine Ruhe finde, wenn ich es nicht wenigstens probiere.“
    „Das hast du dir so ganz spontan überlegt, oder wie?“
    „Nein, also ehrlich gesagt, ich bin schon lange an dem Punkt, dass... Aber man macht das ja nicht einfach so, irgendwie fällt einem das ja auch nicht leicht.“
    „Warum dann gerade jetzt? Wird dir das alles zu viel, was ich vorhabe? Bist du so ein 37,5-Stunden-Typ?“
    „Das ist doch Blödsinn! Nein, ich war schon entschlossen, bevor du mir das erzählt hast. Eigentlich, äh – vielmehr: Das wäre fast ein Grund gewesen noch zu bleiben.“
    „Ach ja?“
    Es klopfte an der Tür.
    „Was ist denn?“ Es klang wie: Verpiss dich!
    Ein junger Kerl steckt den Kopf herein, ein hagerer Stubenhocker mit runder Brille und langen, verwuschelten Haaren.
    „Frau Czibull?“
    „Siebl!“
    „Ich komme von...“
    „Jaja, ich weiß, aber es geht jetzt nicht, bitte warten Sie noch einen Moment!“
    „Aber wir haben doch einen Termin! Ich bin extra aus Stuttgart...“
    „Also entweder Sie warten noch zehn Minuten, oder Sie können gleich wieder abdampfen. Dann kaufen wir das Programm eben woanders.“
    Er verzog das Gesicht, aber fügte sich. Sie wartete, bis die Tür geschlossen war, drückte ihre Zigarette aus, steckte die nächste an. Sie fasste sich, ihr gelang sogar ein Lächeln.
    „Willst du dich nicht setzen?“
    Lothar Sahm, etwas widerwillig, setzte sich. Sie beugte sich über ihren Schreibtisch nach vorn, schaute ihn sehr wohlmeinend an, signalisierte ihm: Jetzt reden wir mal wie die zwei guten Freunde, die wir doch sind.
    „Ich sag dir was: Du überlegst dir das noch mal für ein paar Monate...“
    „Nein, also wirklich nicht, ich hab mir das lange genug überlegt.“
    „Hör mir doch erst mal zu! Ich weiß schon, wie das ist. Meinst du, ich hätte nie an diesem Beruf gezweifelt oder den Drang verspürt, mal was ganz anderes zu machen? Das Leben vergeht ja so schnell, man fragt sich, ob das schon alles gewesen sein soll, ich kenne das. Also: Es ist doch klar, dass ich nicht ohne Gegenleistung mehr Einsatz verlange. Du bekommst fürs Erste 500 mehr im Monat.“
    Er schüttelte energisch den Kopf.
    „Es geht mir nicht ums Geld.“
    „Ich weiß, dir geht es um mehr Spielraum, sollst du auch haben. Ich regle das. Ich schaff dir die Werbetexte vom Hals. Ich nehm dich raus aus der Tagesproduktion. Du kannst kommen und gehen wann du willst. Wenn du mal einen Tag über deinen Büchern bleiben willst, schön, kommst du eben abends oder wann immer du willst. Hauptsache, wir packen die Umstellung.“
    Er schaute sie an, sehr nachdenklich. Ihre Worte wirkten in ihm, das sah sie ihm an.
    „Ich brauche dich“, sagte sie leise, aber betont. Sie meinte das durchaus ehrlich, aber setzte es auch bewusst als letzten großen Appell ein: Jeder Mensch wollte gebraucht werden. Letztlich ging es doch bei allem, was man im Leben tat, nur darum, nie das Gefühl haben zu müssen, man sei überflüssig. In Lothar Sahm aber löste sie damit den Impuls aus, sich endgültig zu befreien. Er protestierte innerlich: Ich lebe doch nicht für ihre Träume, sondern für meine! Von mir lässt sich schließlich auch keiner für meine Pläne einspannen – sie hat ja nicht mal Verständnis dafür!
    Er stand auf und trat hinter seinen Stuhl.
    „Tut mir leid, ich habe mich so entschieden.“
    „Ich hoffe, du hast dir das gut überlegt“, sagte sie freundlich. Sie nahm noch einen tiefen Zug, schnaubte den Rauch aus. Dann kniff sie die Augen zusammen, ihr Blick wurde böse. Sie ließ die Zigarette in den Aschenbecher fallen, wo sie weiter qualmte, und sah an der dünnen, sich kräuselnden Rauchsäule entlang. „Denn wenn du heute hier rausgehst, ohne dass du diesen Schwachsinn zurückgenommen hast, dann kommst du nie wieder rein. Dann kriegst du von mir einen solchen Tritt! Du brauchst dann gar nicht angekrochen kommen, wenn du auf die Schnauze fällst, und glaub ja nicht, da wäre über den Crähenberger was zu machen! Jetzt – jetzt fällt die Entscheidung.“
    Lothar Sahm nickte.
    „Okay.“
    Als er die Tür öffnete, stand schon der junge Software-Spezialist bereit zum Eintreten. Im Davongehen hörte Lothar Sahm,

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