Köhler, Manfred
Lösung finden als gleich zu kündigen!“
„Es ist nicht lange her, da haben Sie mich genau deswegen fristlos rausschmeißen wollen.“
„Also das, eine ganz andere Situation war das. Jetzt stehen wir vor der Umstellung.“
„Und da brauchen Sie jeden Mann, stimmt’s?“
Lothar Sahm spürte Wut in sich aufkommen. Crähenberger ließ sich weit herab, aber nur, weil er jemand für die Dreckarbeit brauchte. Ohne diese Umstellung mit dem Ziel, sich auf europäischer Ebene hervorzutun, nicht länger Geschäftsführer beziehungsweise stellvertretende Redaktionsleiterin eines belanglosen Provinzblattes zu sein, sondern Preisträger-Duo eines bedeutenden Wettbewerbes, hätte ihn niemand umworben, man hätte ihn statt dessen mit Häme überschüttet.
„Ich nehme die Kündigung nicht zurück. Sie werden schon jemand anderes finden. Stellen Sie doch endlich Uwe Erben als Redakteur an.“
„Das müssen Sie schon mir überlassen. Wenn Sie bei Ihrer Kündigung bleiben wollen, dann kann das aber jetzt nicht einfach noch ein Vierteljahr weitergehen wie nach Vertrag. Die Frau Siebl verweigert dann nämlich die Zusammenarbeit, dann ist die Hölle los in der Redaktion, das kann ich nicht brauchen. Ich schlage vor, dass Sie nicht selbst kündigen, sondern dass die Rundschau Ihnen fristlos das Vertrauen entzieht, in Ihrem Sinne meine ich das jetzt. Sonst haben Sie, wie Sie wohl wissen, erst mal eine Sperrzeit bei der Arbeitslosenunterstützung.“
„Das ist mir egal. Ich melde mich sowieso nicht arbeitslos, sondern als Freiberufler.“
„Seien Sie doch vernünftig, Mann, wovon wollen Sie denn als freier Journalist in dieser Stadt leben ohne die Rundschau? Machen Sie es lieber so, wie ich es vorschlage.“
„Sie wollen sich doch bloß um die letzten drei Monate Gehalt drücken, das mach ich nicht mit. Es bleibt dabei: Ich kündige und arbeite, bis der Vertrag ausgelaufen ist.“
„Dann muss ich Ihnen ab sofort Hausverbot erteilen!“
„Dann gehe ich vor Gericht!“
Es ging noch eine Weile hin und her. Man einigte sich auf fristlose Kündigung des Arbeitgebers mit irgendeinem Grund, der beide Seiten ungeschoren ließ, und eine Abfindung von einem Monatsgehalt. Am nächsten Tag sollten ihm alle Unterlagen zugehen. Diese Vereinbarung erleichterte ihn. Er war sofort frei, aller Ärger lag nun hinter ihm; andererseits fehlten ihm zwei Monatsgehälter in seinem Finanzplan, und sollte er scheitern, war ihm der Rückweg in seinen Beruf versperrt: Eine fristlose Kündigung war ein derartiger Makel, dazu sein Alter, es würde keine Zeitung ihn noch anstellen, wenn es darauf ankäme.
Er hatte sein bisheriges Leben ausklingen lassen wollen: noch drei Monate in der Rundschau, vermiest von einem derart kotzübelbeschissenen Verhältnis zu Liane Czibull, dass ihm der endgültige Abschied leichtgefallen wäre. Nun aber saß er von heute auf morgen da mit seinem neuen Leben und war noch gar nicht bereit dafür. Am Abend des Tages der Entscheidung fühlte er sich als einsamster Mensch auf der Welt, als Ausgestoßener, der den Schutz der Horde verloren hatte und nun allein in der Wildnis zurechtkommen musste. Objektiv war das, was er getan hatte, kompletter Wahnsinn, denn er hatte nichts in der Hand. Hätte es wenigstens einen Verlag gegeben, der vages Interesse an seinem halbfertigen Roman bekundete! Woher nur war dieser Drang gekommen, völlig ins Blaue zu kündigen? Alltags-Überdruss war das natürlich, aber wenn er 100 beliebige Arbeitnehmer gefragt hätte, dann hätten ihm wohl mindestens 99 aus vollem Herzen bescheinigt, ebenfalls am liebsten alles hinzuschmeißen, aber sie taten es nicht, und warum? Aus dem gleichen Grund, aus dem nicht jeder gleich von der Klippe sprang, wenn er mal einen schlechten Tag hatte. Er aber war gesprungen.
Herrje!
Erst jetzt ging ihm das auf: Er fiel bereits. Es gab kein Zurück. Die einzige Frage, die sich jetzt noch stellte, war die, ob der Schwung des Absprungs bis zum Wasser reichen oder ob er kurz davor auf einem Felsen zerschellen würde.
Kapitel 13: Neuanfang
Besser als erwartet schlief er in der ersten Nacht nach der Kündigung. Am nächsten Morgen sah die Welt schon weniger trüb aus. Er nahm den gerahmten Siegmar Sarburger aus seiner Schubladen-Verbannung, platzierte ihn wieder an vorzüglicher Position und mutmaßte sich selbst nicht länger nur als Bruder im Geiste, sondern sah sich als eine Art Kollegen: Es galt nun eine Zeit der Einschränkungen, doch nur äußerlich – die
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