Köhler, Manfred
angezeigt.“
Lothar Sahm nickte ihr zu.
„Klar, mit dem richtigen Preis ziehst du die auch noch zu dir rüber. Die Rundschau steht ja im Moment noch ganz gut da, druckt ihr halt mal ein paar Dutzend Hochzeitszeitungen mehr oder weniger gratis, und, ach ja, kostenlose Zweimonats-Abos hast du ja auch noch versprochen.“
„Ach, Humbug“, schnitt ihm Liane Czibull das Wort ab. „Das rechnet sich schon. Wir haben A gesagt, jetzt sagen wir auch B. Und erpressen lassen wir uns sowieso nicht.“
„Ganz recht“, stimmte Andreas Crähenberger ihr zu. „Wenn überhaupt, dann verhandeln wir, und zwar wie zivilisierte Menschen. Und wenn die Fakten es nahelegen, dann schließen wir auch Kompromisse zum geringstmöglichen beiderseitigen finanziellen Schaden.“
Liane Czibull schaute ihn an, und alle im Raum sahen sie an. Crähenberger hatte ihr angeboten, das Gesicht zu wahren, ein solches Maß an Fairness und Verhandlungsgeschick hatte Lothar Sahm ihm gar nicht zugetraut. Liane Czibull aber forderte ihn heraus.
„Also noch mal, und du solltest dir die Antwort genau überlegen: ja oder nein?“
Sie beugte sich nach vorn, tippte ihre zehn Fingerspitzen auf die Arbeitsunterlage ihres Schreibtisches und starrte Crähenberger an wie eine Königin ihren Untertanen.
„Das ist...“, sagte Andreas Crähenberger gedehnt und machte eine quälend lange Pause. Mit einem Seitenblick nahm er wahr, dass Ellen ihn neugierig musterte. Er setzte augenblicklich sein Geschäftsführer-Gesicht auf, warf den Kopf zurück und zog die Schultern entschlossen hoch, so dass sich seine kurzgeschorenen Resthaare über den zusammengedrängten Hautfalten im Nacken aufrichteten. „Das ist die einzige Frage, die sich nicht mehr stellt. Jetzt geht es um wie viel und das Wie. Aber da will ich mich nicht einmischen, da kann ich ganz auf unseren Redaktionsleiter vertrauen, nicht wahr, Herr Wonschack?“
„Ja, hhhkkkkmmmmhhh, s-sicher“, stotterte Walter, ganz und gar nicht begeistert über den Schwall unvermutet wiedergekehrten Vertrauens.
Liane Czibull sah zwischen den beiden Männern hin und her. Sie sog geräuschvoll Speichel zusammen, verkrampfte dabei den Mund und die Backen zu einer Grimasse der Verachtung. Sie rührte die Spucke eine Weile mit der Zunge im Mund hin und her, schluckte sie endlich entschlossen hinunter, atmete tief ein und aus, entspannte sich, setzte ein mitleidiges Grinsen auf.
„Ihr kleinen Hosenscheißer!“
Sie nahm ihre zehn Fingerspitzen vom Schreibtisch, zurück blieb die matte, schwindende Aura ihres Schweißes. Sie schlüpfte bedächtig in die Ärmel ihre lila Lederjacke, hängte sich ihre Beutelhandtasche über die rechte Schulter und ging wortlos aus dem Raum. Crähenberger wartete, bis sie durch die Tür war, sein Blick ruhte ausdruckslos auf Lothar Sahm. Er leckte bei geschlossenem Mund über die obere Zahnreihe, Lothar Sahm sah seine Zunge unter der Oberlippe hin und herwandern und bei den Eckzähnen kurz verweilen, er rang mit sich.
„Nun, also wie es im Moment aussieht, sollte die Frau Siebl ernst machen und uns verlassen, woran ich, offen gesagt, keinen Zweifel habe... Was ich sagen will, vielleicht haben Sie ja Interesse, dann ihre Stelle einzunehmen, also sozusagen Ihre eigene frühere Position wieder zu besetzen.“
Lothar Sahm schaute ihn nur verblüfft an.
Crähenberger beeilte sich hinzufügen:
„Die Abfindung bekommen Sie natürlich trotzdem. Nun, Sie müssen sich nicht gleich entscheiden, überlegen Sie sich das in aller Ruhe.“
Der Geschäftsführer zwang sich zu einer Art Lächeln. Dann machte er abrupt und grußlos kehrt und verließ den Raum. Walter Wonschack beeilte sich, ihm hinterher zu schleichen und die Tür zu schließen. Lothar Sahm erhob sich vom Besucherstuhl, ging um den Schreibtisch herum und setzte sich dahinter an den Computer. Er lehnte sich zurück, faltete die Hände hinter dem Kopf und lächelte Ellen zu. Sie kam die paar Schritte zu ihm heran, und da fiel ihm erst auf, dass sie wieder normal lief, keine Spur eines Hinkens.
„Und, was ist?“, fragte sie. „Überlegst du dir sein Angebot?“
Lothar Sahm schüttelte langsam und bedächtig den Kopf. Er sah sich im Raum um. Das Faxgerät ließ seine lange Papierzunge auf den Linoleumboden hängen. Aus dem übervollen Aschenbecher troffen verkrustete Krümel über ein ganzes Viertel des Schreibtisches. Er griff zur Maus, schloss die Datei, an der Liane Czibull zuletzt gearbeitet hatte, und meldete den Computer
Weitere Kostenlose Bücher