Köhler, Manfred
Hallen. Nach über 100 Vorträgen in ganz Deutschland wird sie ihr nächstes Vortragsprojekt über Australien produzieren und danach für mindestens zwei weitere Jahre auf Tournee...“
„Einen Job, ach wirklich?“, fragte Liane Czibull amüsiert. „Na, da kann er ja aufatmen. Stell dir vor, du darfst Plakate kleben, Diakästen schleppen und ihr die Leinwand aufbauen, vielleicht auch ein wenig die Technik im Auge behalten, während sie im Rampenlicht steht.“
„Ach, Blödsinn, Sie arrogante Kuh! Er wird mein Partner in jeder Hinsicht, wir teilen uns die Arbeit und das Geld.“
Sie beugte sich zu ihm und raunte ihm ins Ohr: „Wir kriegen bis zu 1.500 Euro Pauschale pro Abend, dazu noch eine Beteiligung am Kartenverkauf, und was meinst du, wie bei solchen Multivisionsabenden der Bücherverkauf läuft.“
Sie zwinkerte ihm zu, genoss sein Erstaunen, machte dann einen Schritt hin zu Liane Czibull und sagte ihr zugewandt, aber für Lothar Sahm bestimmt:
„Wir sind dann ständig zusammen unterwegs, und niemand redet uns rein, genau das wolltest du doch immer.“
Liane Czibull seufzte übertrieben laut auf.
„Ach ja, die große Freiheit. Man ist ständig unterwegs, kommt in der Welt herum, jeden Tag eine andere Stadt. Dort baut man nachmittags die ganze Technik auf, zeigt abends irgendwelchen Leuten Bilder, die man selbst schon unzählige Male gesehen hat, danach baut man alles wieder ab, isst vielleicht noch einen Happen, dann ist es Mitternacht, man schläft bis in den Vormittag, und ab geht es auf die Autobahn zur nächsten Stadt. So was von Abwechslung, einen wirklich tollen Job haben Sie da an Land gezogen, ich werde richtig neidisch.“
„Also jetzt reicht es aber, Liane!“
Sie ließ ihre amüsierte Überlegenheit fallen wie einen Stein und wurde die Liane Czibull, die ihn einst aus seinem Büro verdrängt hatte.
„Du hast recht, es reicht, du hast zwei Jobs zur Auswahl – entscheide dich! Oder bildest du dir immer noch ein, du könntest dich mit was Eigenem durchschlagen? Du musst endlich einsehen, dass dir dafür das Rückgrat fehlt.“
Lothar Sahm schaute sie an. Er schaute Ellen an und wieder Liane Czibull. Es fiel ihm etwas auf. Über ihrem Computerbildschirm war immer noch die Postkarte an die Wand gepinnt, die er ihr aus Kanada geschickt hatte. Rings um den Pin waren viele kleine Löcher in der weißen Raufasertapete, so als habe sie die Karte Dutzende Male abgenommen und dann doch wieder befestigt. Sie sah seinen Blick, verstand sein Verstehen, und er sah ihren Augen an, dass seine Vermutung richtig war. Es ging hier nicht um Werbeeinnahmen, die Einlösung einer Drohung oder Rache, es ging darum, dass alles so werden sollte wie früher: Komm zurück und lass uns wieder zusammenarbeiten und uns gegenseitig beflügeln, lass uns wieder das Top-Team sein im Kampf gegen den Wallfelder Filz, lass uns die Herausforderung annehmen, einen Lokaljournalismus zu machen, der etwas taugt. Du hast dir deine Hörner abgestoßen und weißt jetzt, wohin du gehörst, und ich habe viel riskiert, um dir einen Weg zurück zu ebenen.
Für einen Moment der Schwäche war ihrer Mimik abzulesen, wie sehr sie es bedauerte, dass es ihr unmöglich war einen Wunsch anders auszudrücken als mit Frontalangriff und Eroberung, selbst wenn sie sich dabei aufrieb. Dann wurde ihr Gesicht um so härter, und das machte es ihm leichter, nicht aus Sentimentalität die falsche Entscheidung zu treffen.
„Nun, was ist jetzt?“
„Ich bin nicht hergekommen, um irgendeinen Job anzunehmen. Du kannst die Hochzeitszeitung haben.“
„Tha, wie großzügig! Ich habe sie doch längst!“
„Aber ich will eine angemessene Abfindung, 20.000 Euro mindestens.“
Liane Czibull war ebenso geschockt wie empört. Da reichte sie ihm die Hand nach allem was er sich geleistet hatte und wollte ihm aus seinem selbstverursachten Schlamassel helfen – und er hatte die Frechheit, Forderungen in einer solchen Höhe zu stellen und sie damit in verdammte Schwierigkeiten zu bringen! Sie tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn.
„20.000, da kann ich nur laut lachen. Du bekommst den Job, den ich dir angeboten habe, oder den zweiten großen Arschtritt deines Lebens!“
Lothar Sahm lächelte.
„Sag mal, wer soll denn die Hochzeitszeitung eigentlich machen, wenn ich ablehne?“
Liane Czibull lächelte böse zurück.
„Bilde dir bloß nicht ein, wir seien auf dich angewiesen. Du darfst Mitleid nicht mit Schwäche verwechseln. Wir haben genug
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