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Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irrtümlich sesshaft
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einzelne seiner Bilder hätte das Wort Gerangel als Untertreibung Lügen gestraft. Er hatte sich nichts vorzuwerfen. Und das würde er Crähenberger auch ins Gesicht sagen. Sollte der doch brüllen! Dann würde er diesmal eben zurückbrüllen!
    Doch dazu kam es nicht. Der Geschäftsführer war nicht allein im Büro. Lothar Sahm rutschte das Herz in die Hose, als er sah, wer ihm da gegenüberstand und finster entgegenblickte, es waren noch zwei andere Herren im Raum. Der eine war der Verlagsleiter Dr. Kuno Kasemir, Urgestein der Wallfelder Rundschau, 86 Jahre alt, aber aufrecht wie ein junger Turner, scharf bei Verstand und über alles im Bilde. Er war es, der Lothar Sahm vor 15 Jahren als Volontär empfohlen und der sich später, gegen den Widerstand des Geschäftsführers, für seine Ernennung zum stellvertretenden Redaktionsleiter eingesetzt hatte. Der andere Mann an Crähenbergers Seite war der Vorstandsvorsitzende der Münner-Werke, der am Tag zuvor den Pressetermin eröffnet hatte. Dass der Geschäftsführer ihn und Dr. Kasemir hinzugebeten hatte, konnte nur eines bedeuten: Es sollte ein Exempel statuiert werden. Des Übeltäters Kopf für eine Fortsetzung der Geschäftspartnerschaft.
    Für Lothar Sahm stand ein Stuhl bereit, die drei Herren in ihren teuren Anzügen nahmen hinter dem Schreibtisch Aufstellung. Er kam sich klein und schäbig vor in seinen Jeans.
    „Bitte setzen Sie sich!“, sagte Crähenberger. „Ich denke, ich muss Ihnen nicht erläutern, warum ich Sie habe kommen lassen. Ich möchte das Wort gleich unserem Herrn Dr. Kasemir übergeben.“
    Es gab nicht viele Menschen, vor denen Lothar Sahm wirklichen Respekt hatte. Einer der wenigen war der alte, würdige Dr. Kasemir. Ihn achtete er, und ihn mochte er. Sein enttäuschter, strenger Blick machte ihm ein schlechtes Gewissen. Seine Worte brachten seine Selbstbehauptung zum Einsturz.
    „Ich hätte mir nie vorstellen können, dass ich das einmal zu Ihnen sagen muss, Lothar Sahm, aber Sie haben unserer Zeitung mit Ihrem Artikel schweren Schaden zugefügt. Ich muss jetzt leider bereuen, dass ich mich bisher so für Sie eingesetzt habe. Ihre Ausfälligkeiten sind durch nichts zu entschuldigen. Ich muss vor allem zwei Sätze aus Ihrem Artikel zitieren.“
    Dr. Kasemir griff nach einer aufgeschlagenen Ausgabe der Wallfelder Rundschau und rückte seine Brille zurecht.
    „Die erste und zugleich verheerendste Aussage steckt bereits im Titel: Gerangel um das M am Ärmel. Das zweite große Ärgernis lautet wie folgt: Helmut Haselhuth, Marketingleiter der Münner-Werke, hatte offenbar in diesem Punkt nicht mit sich diskutieren lassen und darauf beharrt, das Logo...“
    Der Verlagsleiter ließ die Zeitung sinken und fasste Lothar Sahm ins Auge.
    „Ich kenne den Herrn Haselhuth als aufgeschlossenen Menschen, der sehr wohl mit sich reden und sich auch gern überzeugen lässt. Ihre Aussage, übrigens eine Vermutung, wie Sie selbst einschränkend hinzufügen, grenzt also an Rufschädigung. Keinem Redakteur darf so etwas unterlaufen, schon gar nicht dem Stellvertreter des Redaktionsleiters. Ich habe daher unserem Geschäftsführer empfohlen, Sie dieses Amtes zu entheben.“
    „Und ich habe diese Empfehlung angenommen, um sie mit sofortiger Wirkung umzusetzen“, übernahm Crähenberger. „Nachfolgerin an Ihrer Stelle wird Frau Liane Siebl...“, – zum Vorstandsvorsitzenden gewandt – „...eine Diplom-Journalistin von ausgezeichnetem Leumund. Wir sind sehr froh, dass wir sie haben.“
    Wieder zu Lothar Sahm: „Sie werden auf eine Gehaltsstufe zurückgesetzt, die der Dauer Ihrer Zugehörigkeit zu unserer Zeitung angemessen ist. Ihre Ablösung und Frau Siebls Ernennung wird den Kollegen in einem Rundschreiben bekanntgegeben. So weit die Konsequenzen Ihrer Entgleisung.“
    Crähenberger unterbrach sich bedeutungsvoll. Er führte die Hand zum Gesicht, strich sich mit Daumen und Zeigefinger übers Kinn und ließ Lothar Sahm dabei nicht aus den Augen. Von allen dreien wurde er finster angestarrt, diese Blicke waren schlimmer als alle Worte.
    „Zum Schluss noch eine Warnung vor Zeugen: Ab sofort haben Sie alle beruflichen Aktivitäten zuerst mit Frau Siebl
abzustimmen. Noch eine Eigenmächtigkeit oder gar eine Beschwerde, und Ihnen wird fristlos gekündigt.“
    Nichts war Lothar Sahm in diesem Augenblick so egal wie eine Kündigung. Am liebsten hätte er selbst den Kram hingeschmissen, stolze Worte lagen ihm auf der Zunge. Er hätte Crähenberger gerne

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