Köhler, Manfred
durch ganz West-Europa gegangen; Fotografenschule, dann Abi nachgeholt; kleines Fotogeschäft in der Wallfelder Altstadt für knapp fünf Jahre, nebenher Fernstudium Fotodesign; fühlt sich bald durch ihr Geschäft künstlerisch eingeengt, kommt zu wenig dazu, sich als Fotografin zu entfalten, daher Ausstieg, Abbruch des Studiums; seitdem wohnhaft auf dem Wallfelder Campingplatz, zahlreiche Fotoreisen durchs In- und Ausland, zahlreiche Preise, noch zahlreichere Veröffentlichungen und Titelfotos auf großen Zeitschriften und Magazinen. In einem solchen Artikel mit der Überschrift „Internationaler Durchbruch für Wallfelder Fotografin?“ konnte er es auch verantworten, Ellens Werbebotschaften unterzubringen: die Suche nach der Reisegefährtin – und das Porträtfoto, auf dem sie demonstrativ eine ihrer Kameras so ins Bild hielt, dass der Name ihres Sponsors, des Kameraherstellers, deutlich zu lesen war.
Ellen war begeistert. Sie brachte ihm ein Stück Kirschkuchen in die Redaktion, überreichte es ihm mit einem besonders festen Händedruck, das war drei Tage nach Erscheinen des Artikels. Eine Reisebegleiterin hatte sich nicht gemeldet.
„Und wenn sich jetzt ein Mann interessieren würde?“
Er schüttelte seine rechte Hand. Sie schüttelte den Kopf.
„Da fahre ich lieber allein. Kann ich mir schon gerade noch leisten.“
Kaum war Ellen gegangen, flatterte eine Einladung zu einem Pressegespräch auf seine Laptop-Tastatur. Walter hatte sie im Vorbeigehen kommentarlos fallen lassen, was nichts anderes bedeutete als: Du gehst da hin, kein Widerspruch!
Das war schon wieder so ein Ding, das eigentlich auch ein freier Mitarbeiter hätte machen können: Münner-Werke spendieren neue Trikots für die Fußball-Jugendmannschaft des Turn- und Sportvereins TuS Wallfeld. Aber die Münner-Werke waren ein gewinnbringender Anzeigenkunde und dem Rundschau-Geschäftsführer persönlich verbunden, also musste ein Redakteur sich opfern.
Lothar Sahm nervten solche Termine, sie liefen immer gleich ab: Irgendwelche grinsenden Honoratioren erzählten noch einmal ermüdend ausführlich den Stuss, der schon aus der Einladung hervorging, man beweihräucherte sich gegenseitig, ging in Positur für das übliche Gruppenfoto, schlimmstenfalls bestand man auf demonstrativem Händeschütteln.
Zu seiner Überraschung ging dieser Termin sehr rasch in einen ganz anderen Ablauf über. Das Gesicht des TuS-Vorsitzenden wirkte schon leicht säuerlich bei der Begrüßung, fröhliche Mienen gab es nur bei den Vertretern der Fabrik. Ein Funktionär des Sportvereins faltete eines der neuen weißen Trikots auseinander. Auf der Brust prangte ein dunkelorange-helloranges M, das Zeichen der Münner-Werke; auf dem rechten Ärmel hatte man das Vereinswappen versteckt.
„Sehr gelungen, das kann sich wirklich sehen lassen“, lobte der Fabrikdirektor.
„Oh, haha, danke sehr“, zierte sich sein Marketingleiter in gespielter Bescheidenheit. „Es ging einfach darum, beide Interessen in einem tragfähigen Kompromiss zusammenzubringen.“
„Das ist Ihnen gelungen“, lobte der Fabrikdirektor abermals.
Jetzt war es am Vereinsvorsitzenden, das neue Trikot den Vertretern der Presse vorzustellen: Lothar Sahm von der Rundschau und einer mit Aufzeichnungsgeräten und Kabeln behängten Kollegin vom Lokalradio. Das Gesicht des kleinen strammen Mannes im Trainingsanzug wurde beim Reden noch säuerlicher.
„Wie Sie vielleicht wissen, hatten wir traditionell immer unser Vereinswappen auf den Trikots der Jugendmannschaft vorne auf der Brust und das M der Münner-Werke auf dem Ärmel. Die Münner-Werke, seit Jahren ein geachteter Sponsor unseres Vereins, wollte diesmal neue Wege gehen und den Platz ihres Logos mit dem unseres Wappens tauschen. Das hat nicht allen Vorständen unseres Vereins gefallen, zugegeben, eigentlich gar keinem, weil die Buben immer so stolz waren, ihr Vereinslogo auf der Brust zu tragen. Wir wissen auch nicht, ob sie die neuen Trikots überhaupt so annehmen, na ja, jedenfalls sind uns die Münner-Werke dann entgegengekommen. Das M erstreckt sich jetzt nicht über die ganze Vorderfront, wie Sie sehen, dafür ist das Vereinswappen immerhin so groß, dass man es wenigstens auch noch aus ein paar Metern Abstand mit bloßem Auge...“
„Damit hier keine Missverständnisse aufkommen“, mischte sich der Marketingleiter alarmiert ein „die Wünsche der Kinder stehen für uns natürlich an allererster Stelle. Andererseits, Sie kennen ja den
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