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Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irrtümlich sesshaft
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alten Wahlspruch: Tue Gutes und rede darüber.“
    „Ich denke auch“, übernahm der Fabrikdirektor, „dass wir bei einer Summe von immerhin 750 Euro – und das ist ja nur eine unserer vielen Sponsorenleistungen für diesen Verein...“
    „Es wäre halt schön gewesen, wenn das Vereinswappen etwas größer herausgekommen wäre und vielleicht wenigstens auf dem Rücken oder auf beiden Ärmeln, mehr wollten wir ja gar nicht“, platzte es aus dem Vereinsvorsitzenden heraus.
    Und im Nu war der schönste Streit im Gange. Lothar Sahm konnte sich vorstellen, wie es erst im Vorfeld dieses Pressetermins gefetzt haben musste, wenn man sich jetzt sogar in Gegenwart von Zeitung und Rundfunk so gehen ließ. Er machte ein paar Fotos von erhobenen Zeigefingern, von herausgedrehten Augen und entschlossen geschüttelten Köpfen, dazu ein besonders schönes vom Vereinsvorsitzenden, wie er anklagend in seiner geballten Faust das Trikot halb zusammengeknüllt hochreckte. Die Kollegin vom Lokalradio fing ein paar O-Töne ein.
    Er hatte in diesem Augenblick keinen Zweifel daran, dass auch im Rundfunk über das berichtet werden würde, was hier tatsächlich vorfiel. Nicht, dass er vorgehabt hätte, in seinem Artikel Partei zu ergreifen oder gar in einem Kommentar Stellung zu beziehen; er wusste schließlich, wie wichtig Sponsoring für Vereine war, und er sah durchaus die berechtigten Interessen des Sponsors. Andererseits war es schon bemerkenswert, wie vehement und rücksichtslos mancher Sponsor diese Interessen durchsetzte – und wie alles entscheidend dabei die Profilierungssucht eines einzelnen Marketingleiters sein konnte. Das sollte dem Leser ruhig einmal angedeutet werden. Ansonsten aber fiel der Bericht objektiv und neutral aus: Lothar Sahm eröffnete mit der Meldung, dass die Jugendmannschaft des TuS Wallfeld ab sofort mit neuen Trikots antrete dank der Münner-Werke. Erst im zweiten Absatz leitete er zu der Tatsache über, dass das neue Design der Trikots nicht unumstritten war und dass abzuwarten bleibe, wie nun die Kinder darauf reagierten. Natürlich formte er aus dem Konflikt auch Stichzeile und Titel, schließlich sollte der Artikel auffallen und gelesen werden:
     
    Design der neuen TuS-Jugendtrikots sorgte für Zündstoff
    Gerangel um das M am Ärmel
     
    Bei der Überschrift hatte er ein bisschen gemogelt, weil „Gerangel um das M auf der Brust“ als Aufmachertitel zu sperrig und weniger klangvoll gewesen wäre; aber nicht diese kleine Verdrehung der Tatsachen war es, was ihm zum Verhängnis werden sollte, sondern allein das Wort „Gerangel“. Als er Walter Wonschack dieses Wort am nächsten Morgen beim Hereinkommen im anderen Raum sagen hörte, wusste er sofort, dass es Ärger gegeben hatte. Nicht im Mindesten hatte er damit gerechnet.
    Er stellte seinen Laptop und seine Fototasche auf seinem Schreibtisch ab. Durch die halb geöffnete Tür zum Nebenbüro sah er Walter an seinem Schreibtisch stehen, er hielt sich den Hörer ein paar Zentimeter vom Ohr weg, verzog das Gesicht und warf seinem Stellvertreter einen schmerzvollen Blick durch den Türspalt zu. Sein Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung brüllte laut genug, dass Lothar Sahm in der Lage war, einzelne Worte zu verstehen, das Wort „Unverschämtheit“ zum Beispiel – oder den Satzfetzen „...die längste Zeit Anzeigenkunde gewesen!“
    „Aber Herr Doktor ... hhhkhhmmm, ja, sicher, da muss ich Ihnen recht geben. Ach, und im Lokalradio wurde nichts von einem Konflikt erwähnt? Gewiss, sicher, Gerangel, das ist schon...“
    Walter kam kaum zu Wort. Lothar Sahm sah ihm durch den Türspalt beim Telefonieren zu.
    „Ja, sicher, tun Sie das“, sagte Walter schließlich, räusperte sich noch einmal kräftig und legte auf. Er lehnte sich an seinen Schreibtisch. Lothar Sahm kam zu ihm herein. Walter war nicht etwa wütend auf ihn, eher erschöpft und jeglicher Auseinandersetzung überdrüssig. 
    „Der Vorgänger des Vorstandsvorsitzenden. War aber nicht die erste Beschwerde heute. Der Marketingleiter hat mich schon vor sieben zu Hause angerufen, gleich danach der Vorstandsvorsitzende und dann auch noch unser Geschäftsführer. Du sollst gleich mal hoch zu ihm.“
    Auf den wenigen Treppenstufen hinauf in den ersten Stock veränderte sich Lothar Sahms Stimmung. Das flaue Gefühl in Erwartung einer neuerlichen Abmahnung verging ihm, Trotz gab ihm frische Kraft: Er hatte so neutral wie möglich berichtet und sogar auf ein Foto verzichtet – denn jedes

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