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Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irrtümlich sesshaft
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bekräftige die Czibull.
    „Nein, ich meine, wie war Ihr Name?“
    „Aureos Boreal. Das is mein Künstlernam. Steht sogar in mein Ausweis. Früher so hieß ich mal Benno Metzner.“
    Lothar Sahm biss sich kurz und heftig auf den Zungenrand und fragte dann, sehr gefasst: „Sie sind Künstler, Herr Boreal?“
    „Magische Künste. Hier is mein Kartchen.“
    „Aureos Boreal – Kartenlesen, Hypnose, Astral-Analysen (Reiki auf Anfrage)“ stand da, umringt von Sternen und einem leicht eiförmigen Saturn.
    „In mein Hauptberuf ich bin ja moment noch Lackierer.“
    „Ja, und deshalb können wir auch immer nur abends eine Sitzung bei ihm machen. Wir wäre es denn gleich jetzt?“, regte Liane Czibull in einem Ton an, der mehr nach Befehl klang.
    „Wie, Sitzung? Ich weiß ja von gar nichts!“
    Lothar Sahm hatte sich vorgenommen, endlich mal wieder ins Kino zu gehen. Er wollte Ellen einladen. Seit der Abgabe der Reiseführer-Unterlagen vor knapp zwei Wochen hatten sie nur telefonisch Kontakt gehabt – das war nun ein Grund, sie mal wieder spontan aufzusuchen.
    „Oder hatten Sie schon was vor heute Abend?“
    „Na ja, eigentlich...“
    „Ich versetz Se ratzefatz in frühere Lebe“, mischte sich der Künstler ein.
    „Das wäre doch eine tolle Story gleich für die nächste Wochenend-Ausgabe“, schwärmte Liane Czibull. „Ein Redakteur unserer Zeitung beschreibt seine Eindrücke bei einer hypnotischen Rückführung.“
    „Also, ehrlich gesagt...“
    „Se, das werd Se auf de Sprünge helfen in Ihrn jetzige Verhältnisse. Ich hatt scho mal ein ganz harmlose Hausfrau, die war in frühere Lebe eine Unteroffissier bei Kaiser Willem Garderegiment.“
    „Also das ist ein Ding“, lobte Liane Czibull und strahlte Lothar Sahm an. Der kniff die Augen zusammen, schüttelte leicht den Kopf und versuchte ihr per Gedankenübertragung seinen Protest entgegen zu schleudern: Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein!
    „Ich merk scho, der glaubt nicht an mein Macht, ich spür so was, da kommt was ganz negativ an Schwingung rüber. Aber ich kannen überzeuge, hab ich schon vill Leut in Verblüffung versetzt, die zuvor nix zu wissen gewollt von Hypnose.“
    „Nun, ich schlage vor, wir probieren das einfach mal aus!“, ordnete Liane Czibull an, stand auf, griff sich ihre Kuhfladen-Tasche, ihre lila Lederjacke und ihre Fotoausrüstung.
    „Der Herr Sahm wird hypnotisiert, ich fotografiere, und dann schreibt der Herr Sahm aus seiner Sicht und ich schreibe aus meiner.“
    Das war, fand der Herr Sahm, grundsätzlich eine tolle Geschichte – mit einem seriösen Hypnotiseur. Aber er hatte sich angewöhnt, nichts mehr in Frage zu stellen, was auf Liane Czibulls Mist wuchs, noch nie – zumindest nicht, seit sie Chefin war – hatte sie bei einer Story danebengegriffen, und so machte er sich mit ihr und dem selbsternannten Magier auf den Weg, neugierig auf die Dinge, die da kommen würden.
    Der hypnotisierende Lackierer wohnte nur ein paar Minuten von der Redaktion entfernt mitten in der Wallfelder Fußgängerzone. Es war noch nicht mal 18 Uhr, der ganze Spuk, so meinte Lothar Sahm, würde in einer Stunde vorüber sein, Kino mit Ellen also noch möglich, und so legte sich seine erste Widerborstigkeit angesichts des unverhofften Termins. Das war schon was: mit Liane Czibull unterwegs. Er konnte sich diese Frau gar nicht anders vorstellen als hinter ihrem Schreibtisch. Frühmorgens konnte man kommen, wann man wollte, sie war schon da. Mittags arbeitete sie durch, trank Wasser aus der Leitung, knusperte mitgebrachte Plätzchen, und abends ging sie grundsätzlich erst nach dem Nachtdienstler. So absurd ihm der Gedanke schien angesichts der Tatsache, dass sie nun schon fast ein Jahr der Wallfelder Rundschau angehörte, aber er sah sie wohl an diesem Tag das erste Mal sich außerhalb der Redaktionsräume bewegen.
    Vor einem heruntergekommen Altstadthaus fummelte Benno Metzner einen Schlüsselbund aus seiner Malerhose. Eine durchgetretene Holztreppe führte in den zweiten Stock. „Boreal – magische Künste“ stand auf einem mit Tesafilm festgepichten Papierstreifen neben der Klingel. Kein Türschloss sicherte die Wohnungstür, sondern ein Riegel mit Vorhängeschloss.
    Im Flur der Wohnung hörte Lothar Sahm auf, den Ausflug unterhaltsam zu finden. Auf was für einen Menschen hatte sich die Czibull da eingelassen? Ein Gemisch aus abgestandener Luft, menschlichen Ausdünstungen und Moder schlug ihnen entgegen. Der erste Blick beim Betreten

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