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Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irrtümlich sesshaft
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des Flurs fiel ins Badezimmer gegenüber. Die Tür stand halb offen, man sah einen ausgeleierten Fernsehkarton, aus dem zerknüllte, abgenutzte Kleidungsstücke hervorquollen. Über den Rand hingen mehrere Feinripp-Unterhosen, die braunen Flecken darauf waren unzweideutig. Mitten im Flur lag ein Brennholzklotz herum. Der Hausherr schob ihn beiläufig mit einem Fuß in die Ecke und schloss die Badezimmertür. Dreck und Stockflecken, wohin man schaute. Die Tapete löste sich von der Wand. Von der Decke hing eine nackte Glühbirne.
    „Möchte Se bitte durchgeh in Geheimnisraum.“
    Lothar Sahm hatte vor Jahren über eine reisende Kartenlegerin geschrieben. In diesem Zimmer nun fand er die gleichen Requisiten aus dem Esoterik-Sonderangebotskatalog: Kristalle, Duftkissen, bunte Masken, getrocknete Blüten. An der Wand hingen Airbrush-Fantasie-Motive – keine Drucke oder gar Originale, sondern nachlässig ausgeschnittene Illustriertenbilder, mit Heftpflaster an die Tapete gepappt. Metzner alias Boreal entzündete quälend langsam sieben Kerzen, schloss die Vorhänge und startete eine Musik-Kassette mit leiernden Sphärenklängen.
    „Zuerst muss ich mir klar werde über Menschen, der Se sind, bester Weg ist Kartenlegen.“
    „Fein“, meinte Liane Czibull, und da der Hausherr es versäumte, seinen Gästen Plätze anzubieten, suchte sie sich selbst einen Stuhl. Lothar Sahm tat es ihr nach – nicht ohne, in Gedanken noch bei gewissen braunen Flecken, zuvor die Sitzfläche geprüft zu haben. Der Kartenleger entblätterte ein Päckchen Tarot-Karten.
    „Ziehn Se eine!“, forderte er seinen unfreiwilligen Klienten auf. Lothar Sahm zog eine der pappigen Karten aus dem Stapel.
    „Aha, der Gehenkte. Muss ich nachguckne.“
    Auf einem Tischchen lag ein Buch bereit: Tarot für Anfänger . Etwas unbeholfen fing der Kartenleger an, darin zu blättern.
    „Also, das gibt es doch wohl nicht!“, rief Lothar Sahm aus. Er war sicher, dass nun auch Liane Czibull genug hätte. Die aber beachtete ihn gar nicht in seiner berechtigten Empörung, sie montierte gerade das Blitzgerät auf den Fotoapparat.
    „Nur nich so ungeduldich, junger Mann. Da hamses: ... leicht aufbrausend, steht da, und vorschnell im Urteil. Ich sach Ihne dazu, weil Aura, die ich spür schon seit erster Begegnung zeigt mer, der junge Mensch is unzufriedne mit sein Leben, will hoch hinaus, schaut sich an die Leut von außen und meint dann gleich, er weiß alles besser. Nimmer lang wird’s so weitergehn, wird noch sich begegnen, Reise hat erst begonne. Wird nix aus große Pläne, wasermer niet glaubne wird, wird weiter sich bemühn. Aber hat geschaut den Tod, was war erste Schritt für innerliche Anderswerdung, muss erst noch schaun diesen Tod bis zum bitteren Ende, danach wird tun, was richtig is für ne.“
    Lothar Sahm schaute ihn an.
    „Was sachne Se nu?“
    In diesem Moment machte Liane Czibull ihr erstes Foto. Lothar Sahm wusste, er würde ziemlich blöd darauf aussehen.
    „Und wie soll es jetzt weitergehen?“, fragte er, an seine Kollegin gewandt.
    „Jetzt kommt Hypnose-Einleitung“, kam die Antwort vom Magier.
    „Also, ich weiß nicht...“
    Er war der Meinung, auch Liane Czibull sei inzwischen angeekelt von diesem Schmierentheater. Sie aber lehnte sich zurück, hielt ihren Fotoapparat griffbereit, hatte auch Stift und Block gezückt und meinte: „Jetzt bin ich gespannt.“
    „Aber nicht fotografierne bei Hypnose-Einleitung!“, forderte Metzner, wischte sich die Handflächen an seinen Lackiererhosen ab und griff mit zwei Fingern der rechten Hand den Faden eines tropfenförmigen Pendels. Zwei Finger der linken Hand legte er Lothar Sahm an die Stirn. Den schauderte es bei der Berührung.
    „Schaun Se auf Pendel. Und denken Se müde, müde, müde...“
    Lothar Sahm dachte: Das klappt nie!
    Aber er war bereit, mitzumachen. Er folgte dem Pendel, hin und her, hin und her.
    „So, jetzt bist müde, Augen brennen, darfst Augen schließen, Körper wird ganz schwer.“
    Was Lothar Sahm spürte, war die ganz normale Körperschwere, die eintrat, wenn man sich am Abend entspannt in die Ecke setzte und ausruhte.
    „Jetzt Augen wieder auf!“, befahl der Hypnotiseur. „Ab jetzt tust, was ich dir geheiße.“
    Na, der wird sich wundern, dachte er, ich bin nicht den Hauch von hypnotisiert.
    „Deine rechte Arm wird leicht und leichter, leicht und leichter, schwebt in die Höh.“
    Lothar Sahm, in seiner Überzeugung, hellwach zu sein, dachte sich: Ich mache

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