Kölner Kreuzigung
Coloneums, in denen sich eine Handvoll Fotografen und ein paar gelbe Bagger vor mächtigen Sandbergen spiegelten. Alles nur Kulisse, dachte sie, und fragte sich, was sie hinter den Kulissen von Christian Albertis und Julia Stolz’ Leben noch finden würden.
Staatsanwalt Stein hatte das Polizeipräsidium noch nicht verlassen, als eine junge Frau auf ihn zukam. Er hatte sie bereits registriert, als er aus dem Aufzug gekommen war und das hell geflieste, nüchterne Foyer betreten hatte. Sie stand an einem Ständer mit Infomaterial zur Verbrechensvorbeugung und blätterte in einem Flyer. Als sie ihn sah, steckte sie den Flyer in die Tasche und ging auf ihn zu. Der Staatsanwalt mochte es, wenn sich Frauen bewegen konnten und diese konnte es definitiv. Sie lächelte ihn unter ihrer blonden, zurückgesteckten Mähne an.
»Herr Staatsanwalt, zwei Minuten bitte.« Thomas Stein blieb arglos stehen. Die Blondine nestelte in der Brusttasche ihrer Bluse. »Wo hab ich denn nur? Ah hier!« Sie holte eine Visitenkarte hervor und drückte sie Stein in die Hand. »Verena Talbot, Center.TV. Ich habe Sie gestern auf der Pressekonferenz gesehen. Ein beeindruckender Auftritt.« Sie strahlte ihn an. Thomas Stein lächelte zurück und rückte seine Krawatte zurecht.
»Vielen Dank, Sie wissen ja, die Zusammenarbeit mit den Medien wird für uns immer wichtiger. Aber was kann ich für Sie tun, Frau Talbot?«
»Verena.« Verena Talbot strich sich kurz eine Strähne aus dem Gesicht, legte den Kopf ein wenig schräg und lächelte ein kleines bisschen verlegen. Dann fuhr sie fort. »Nun, es geht um diesen schrecklichen Mord im Rheinauhafen. Sie wissen schon, Christian Alberti und Julia Stolz.«
»Ja, natürlich. Ich bin mit dem Fall bestens vertraut.«
»Diese Geschichte beschäftigt mich sehr. Nicht nur als Profi. Auch menschlich geht mir das sehr nahe und ich dachte, da Sie ja heute hier zur Besprechung waren, könnten Sie mir vielleicht etwas Neues mitteilen? Oder ein wenig Hintergrundwissen mit mir teilen?« Verena Talbot neigte den Kopf erneut ein wenig zur Seite, als sie das sagte und nestelte am Ausschnitt ihrer Bluse. Schließlich ging es darum, das Blut in die richtige Richtung zu lenken. »Vielleicht bei einem schnellen Kaffee da gegenüber in dem kleinen Café?« Jetzt lächelte sie den Staatsanwalt fast schon verschwörerisch an. »Ich verrate auch niemandem, dass Ihre Besprechung gar nicht so lang gedauert hat.«
Eine Viertelstunde später wusste die Journalistin über fast alle Aspekte des Falles Bescheid. Nur in einem hatte Thomas Stein sie angelogen. Dass er mit seinen Ermittlungen kurz vor einem Durchbruch stand, war frei erfunden. Aber Verena Talbot zeigte sich pflichtschuldigst beeindruckt und selbstverständlich übernahm Staatsanwalt Stein die Rechnung.
8
Marius Sandmann bewunderte einen Augenblick stumm die beeindruckende, düstere Fassade einer Gründerzeitvilla am Kölner Ring, die sich zwischen den schmucklosen Büroneubauten der 60er- und 70er-Jahre rechts und links versteckte. Die meisten Leute hasteten vorbei, ohne das Gebäude eines Blickes zu würdigen, abgelenkt von den bunten Reklamen der Geschäfte nebenan. Ein junger Mann rempelte Marius dabei an, murmelte eine kurze Entschuldigung, jedoch beachtete ihn Marius nicht weiter. Wenn man sich Zeit nahm und hinschaute, bemerkte man die Pracht des Altbaus, allerdings hatte Marius den Eindruck, als wäre es dem Gebäude und vielleicht auch seinen Nutzern ganz recht, unbeachtet zu bleiben.
Marius stieg drei Stufen zum Eingang empor, doch noch bevor er auf den gold glänzenden Klingelknopf drücken konnte, riss jemand die alte, schwere Holztür auf. Der Detektiv blickte einem aufgewühlten Mann Ende 50 mit einer markanten schiefen Nase und langen, dünnen grauen Haaren ins Gesicht. Irgendwoher kannte er den Mann, aber ehe er sich erinnern konnte, war der leise fluchend mit fahrigen Schritten an ihm vorbeigestürmt.
Am Ende des fast bis zur Decke mit Marmor ausgekleideten Flures fand Marius zwei Aufzüge, die nachträglich auf der Rückseite des Gebäudes in das Treppenhaus eingebaut worden waren. Im dritten Stock öffnete sich die Fahrstuhltür direkt vor dem Empfang der Geschäftsleitung der Hochkirchen Beteiligungsgesellschaft. Schwere bordeauxrote Teppichböden und dunkle alte Holzvertäfelungen mit schlanken Verzierungen dämpften fast jedes Geräusch.
Die junge Frau am Empfang musterte den Besucher kurz. »Herr Sandmann?« Marius nickte. Zwei Männer um
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