Kölner Kreuzigung
würde, sondern dass sie auch keinesfalls erfreut wäre, von ihm zu hören. Charlie Marx war also seine beste Chance. Er suchte im Internet die Telefonnummer zu Marx’ Adresse und rief ihn an. Außer einem Tuten war nichts zu hören. Marius wollte gerade auflegen, als sich eine verschlafene Stimme meldete, müde und aggressiv. »Wer zum Teufel …?«
»Sandmann, Marius. Ich bin ein Mitarbeiter von Gunter Brock.«
»Gunter wer?«, antwortete die müde Stimme gereizt.
»Gunter Brock, Privatdetektiv aus Köln. Sie kennen ihn aus seiner Berliner Zeit.« Das Letztere hoffte Marius nach dem Gesprächseinstieg mehr, als dass er es glaubte.
»Kenn ich nicht. Wie hieß der?«
»Brock, Gunter Brock.«
»Woher soll ich den kennen?« Gute Frage. Das wusste Marius selber nicht. Er überlegte fieberhaft, was Brock eigentlich in Berlin gemacht hatte und wo es einen Anknüpfungspunkt für das Gedächtnis seines Gesprächspartners geben könnte. Wenn es einen gab. Marx redete sich mittlerweile in Rage. »Hören Sie mal, wenn Sie mir etwas verkaufen wollen. Sie wissen, das ist verboten. Die Leute in aller Herrgottsfrühe aus dem Bett zu schellen …«
»Es ist vier Uhr am Nachmittag.«
»Ja, sag ich doch! Verkaufen lasse ich mir von dir aber nichts, hörst du, Bürschchen?« Marius versuchte den Sermon auszublenden und sich auf das wenige Wissen über Brocks Berliner Zeit zu konzentrieren. Warum wusste er so wenig von seinem Chef? Warum war Brock so ein verschwiegenes Arschloch gewesen? Oder war er einfach ein desinteressiertes Arschloch? Sie hatten jahrelang zusammengearbeitet, Tür an Tür gesessen.
»Türsteher! Er war Türsteher!«
»Ha! Der Brocken! Warum sagst du das nicht gleich, Junge? Wie geht es dem alten Sack?« Marius erklärte kurz, was geschehen war, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen. Die Stimme am anderen Ende reagierte nicht weniger aggressiv, aber dennoch klang sie anders. Wärmer. »Scheiße! Das hat er nicht verdient. Er war kein schlechter Kerl. Wirklich nicht.«
»Ich weiß.« Die beiden Männer schwiegen eine Weile am Telefon. Marius konnte von seinem Platz aus Brocks verschlossene Bürotür sehen.
»Weiß man schon, wer ihn gekillt hat?« Marius verneinte. »Jetzt suchst du selber, oder?«
»Ja.«
»Lass das, Junge. Ich kenn dich nicht, aber Mord ist eine Nummer zu groß. Ganz bestimmt. Lass die Polizei ihre Arbeit machen und such dir ein paar untreue Ehefrauen, die du überwachst. Lass die Finger von Mord. Das geht nicht gut aus. Glaub mir!« Marius war von der Fürsorge des Fremden ebenso überrascht wie gerührt. Er dachte einen kurzen Augenblick darüber nach, ob Charlie Marx nicht sogar recht hatte. Was tat er hier eigentlich? Noch während er darüber grübelte, sprach Marx weiter. »Aber du lässt sowieso nicht die Finger davon. Also was soll ich tun?« Marius erklärte Charlie Marx, worum es ging. Marx versprach, sich darum zu kümmern. Marius wollte schon auflegen, als Marx noch etwas sagte. »Er war kein schlechter Kerl.«
Paula Wagner saß derweil in Kalk an Hannes Bergkamps Computer und versuchte etwas Brauchbares über Lucca Matteo herauszufinden. An ihrem Rechner saß ein schwitzender Systemadministrator in einem rot-weiß karierten Hemd, dessen Anbaggerungsversuche sie in der letzten halben Stunde mit wachsender Übellaunigkeit gekontert hatte.
Da alle anderen Rechner ohne seinen persönlichen Service wieder mit dem Online-System verbunden waren, nahm sie an, dass der Einsatz des Administrators eher ihr galt. Die Blicke, die er ihr regelmäßig zuwarf, nährten diesen Verdacht. Sie aber hatte nun wirklich anderes zu tun, auch wenn sie nicht wirklich damit rechnete, etwas über diesen religiösen Spinner im Computer zu finden, von dem ihr die Leute in der Ponderosa Bar erzählt hatten. Ihre einzige Chance bestand darin, dass Matteo mit seiner Religiosität in der Öffentlichkeit für Ärger gesorgt hatte. Was nicht unwahrscheinlich war, sich aber als falsch herausstellte.
Zumindest unter diesem Namen war er in keiner Datei gespeichert. Vielleicht war das auch nur eine falsche Spur? Sie sollte sich um das Opfer und seinen Mitarbeiter kümmern. Stattdessen jedoch versuchte sie Bergkamp über sein Handy zu erreichen, aber ihr Chef ging nicht ans Telefon.
Mit einem vernehmlichen Hüsteln schob der Administrator ihren Schreibtischstuhl zurück und donnerte ihn geräuschvoll gegen einen Aktenschrank. Dann stand er auf, murmelte etwas davon, dass er hier fertig sei und dass sie
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