Kölner Kreuzigung
besser auf ihren PC achten solle, packte seine Tasche und stapfte grußlos aus dem Büro.
Immerhin. Den war sie los. Ihre Gedanken aber waren bei ihrer Arbeit und ihrem Chef. Sollte sie sich Sorgen machen oder saß er wieder einfach nur in einem Café und hatte keine Lust zu telefonieren? Sie schob den Gedanken beiseite und gab den Namen Marius Sandmann in den Computer ein. Nichts. Außer, dass er als Privatdetektiv in einem Register stand, gab der Polizeicomputer nichts über ihn her.
Dennoch wollte sie mehr über ihn wissen und öffnete ihren Internet-Browser. Routiniert startete sie mehrere Tabs und gab in verschiedenen Suchmaschinen den Namen des Privatdetektivs ein. Auch hier waren die Ergebnisse spärlich. Sandmann besaß keine eigene Homepage, immerhin ein Network-Profil, auf dem sie außer einem alten Foto nichts entdecken konnte. Ansonsten fand sie nur eine Telefonnummer auf der Homepage der Deutschen Telekom. Außerdem hatte er vor einigen Jahren ein paar Referate in der Universität gehalten, deren Inhaltsangaben noch auf den Servern der Universität zur Verfügung standen.
Paula Wagner ging gelangweilt die Titel durch, die ihr allesamt nichts sagten. Nur bei den letzten Referaten blieb sie hängen: ›Botticellis Bilderzyklus zu Dantes Göttlicher Komödie – Gewalt und Erlösung‹ und ›Mittelalterliche Malerei: Körper und Seele – Gewalt und Erlösung‹. Das klang, als sollten sie sich noch einmal genauer mit dem Herrn Kunststudenten unterhalten und ihn vielleicht einmal nach seinem Verhältnis zur Gewalt befragen. Hatte Marius Sandmann etwas mit dem Mord an seinem Chef zu tun? Ausschließen konnte sie es nicht, auch wenn sie noch kein richtiges Motiv hatten. Aber der Modus Operandi würde zu seinem Hintergrund passen. Kreuzigung und mittelalterliche Gewaltdarstellung – so allmählich fügte sich ein Bild vor den Augen der Polizistin zusammen. Vielleicht sollten sie den Tatort noch einmal nach Spuren von Marius Sandmann absuchen?
Sie versuchte erneut, Hannes Bergkamp anzurufen und ihn über ihre Ergebnisse und Gedanken zu informieren, erreichte ihn aber nicht. Stattdessen bekam sie Volker Brandt ans Telefon, aber auch der hatte keine Zeit für sie. Weiterarbeiten also. Sie gab den nächsten Namen in die Suchmasken ein, der Einfachheit halber begann sie diesmal im Internet. Brock jedoch war noch weniger im Netz präsent als Marius Sandmann. Von ihm gab es nicht einmal eine private Telefonnummer, nur die Adresse der Detektei in verschiedenen Firmenverzeichnissen.
Sie überlegte, ob Brock diese Eintragungen vorgenommen hatte, konnte es sich aber nicht vorstellen. Vermutlich hatte Marius Sandmann diese kostenlose Form der Werbung genutzt. Sie fragte sich, warum Sandmann sie über den Auftrag angelogen hatte. Er hätte doch wissen müssen, dass sie das herausfinden würden. Es war wie immer: Verbrecher waren nicht halb so schlau, wie alle glaubten. Eigentlich waren sie eher ein wenig dumm. Egal, was sie studiert hatten. Hannes Bergkamp ging immer noch nicht ans Telefon. Bevor sie Brock im internen System der Polizei suchen würde, könnte sie sich eigentlich auch einmal einen Kaffee gönnen.
Zwei Stunden nachdem Marius Sandmann das Büro verlassen hatte, stand er immer noch gegenüber auf einem mit Gebüsch und Unkraut überwucherten Brachgelände und übte sich im Schattenboxen. Er hatte kurz überlegt, eine der Matratzen, die irgendwer hier auf dem Gelände entsorgt hatte, aufzustellen und als Sandsackersatz zu nutzen, hatte aber aus hygienischen Gründen von dieser Idee Abstand genommen. Früher hatte er Schattenboxen immer als ein albernes Training empfunden, vermutlich weil er es nie gemacht hatte und nicht wusste, wie anstrengend es sein konnte, ins Leere zu boxen. Zwischendurch hatte er ein paar Liegestütze eingeschoben, und auch der einsetzende kalte Regen hatte ihn nicht abhalten können. Nun stand er durchnässt, verschwitzt und abgekämpft im Halbdunkel der Dämmerung, die Hände auf die Knie gestützt und hustete. Sein Handy klingelte, er brauchte einige Zeit, bis er es mit klammen Fingern aus der Hosentasche herausgefischt hatte. Eine unterdrückte Nummer. »Sandmann.« Ein mächtiger Hustenanfall, weitaus größer als sein eigener kleiner trockener Husten gerade, begrüßte ihn.
»Entschuldigung.« Marius brauchte einen Moment, bis er Charlie Marx’ Stimme erkannte.
»Das ging schnell.«
»Ich dachte mir, ich erledige es gleich. Sonst schieb ich es doch nur auf und du
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