Kölner Kreuzigung
führen müssen, ob sich die Soldaten, wenn sie die Bilder überhaupt geraubt hatten, an Volksvermögen vergriffen hatten. Er taugte nicht zum Advocatus Diaboli. Eine Notlüge musste her.
»Du weißt doch, dass ich als Privatdetektiv arbeite. Ein Bekannter hat mich gebeten, herauszufinden, was sein Großvater im Krieg gemacht hat. Er will eine Art Familienchronik schreiben und dazu will er das wissen. Sein Großvater muss sich so im Juni 1943 um Kameraden verdient gemacht haben. Das hat mir mein Bekannter zumindest erzählt. Also an der Zeit bin ich besonders interessiert.«
»Weißte denn, wo der Soldat gedient hat? Regiment wenigstens?« Marius schüttelte den Kopf. Bauernfeind seufzte. »Gib mal den Namen. Ich schaue, was ich tun kann. Kann aber ein paar Tage dauern.« Marius zog ein paar Zwanzigeuroscheine aus der Manteltasche und legte sie vor Bauernfeind auf den Tisch.
»Schaffst du es bis morgen?« Bauernfeind schaute auf das Geld, mit einer erstaunlich spitzen Zunge fuhr er sich über die Lippen.
»Wenn du morgen dasselbe noch einmal ablieferst, dann ja.« Er grinste Marius an und entblößte dabei ein paar erschreckende Zahnlücken zwischen tiefschwarz verfärbten Zähnen. Marius nickte und nannte den Namen des Vaters von Alexander und Walter Hochkirchen.
»Der Name ist Hermann Hochkirchen.«
27
Paula Wagner raufte sich die Haare. Sie hatte sich die Finger wund telefoniert, war ein weiteres Mal im Ponderosa gewesen und hatte sich von der blondierten Kellnerin eine genauere Beschreibung von Lucca Matteo geben lassen, hatte nach den Angaben eine eigene Zeichnung gemacht und war damit einen Abend lang durch Ehrenfelder Kneipen marschiert, immer auf der Suche nach jemandem, der diesen Lucca Matteo kannte. Die Geschichte dazu lautete: Ich habe diesen Mann in einer Kneipe kennengelernt, habe mich verliebt und will ihn wiedersehen. Eine rührende Geschichte, die ihr zahlreiche Hilfsangebote von Frauen, noch mehr Ersatzangebote von Männern und keinerlei brauchbare Informationen gebracht hatte.
Den letzten aufdringlichen Kneipengast hatte sie abgehängt, indem sie ihm ihre Polizeimarke vor die Nase gehalten hatte, nachdem er ihr fünf Minuten durch die nächtlichen Straßen Ehrenfelds hinterhergeschlichen war. Nun saß sie in ihrem Wagen, hatte die Heizung voll aufgedreht und überlegte, was der klügste nächste Schritt war. Sie startete schließlich den Wagen und fuhr ohne rechte Idee, warum, an Marius Sandmanns Büro vorbei, es brannte kein Licht. Sie blieb kurz stehen und betrachtete die dunklen Fenster im zweiten Stock. Sandmann verschwieg ihnen etwas, dachte sie.
Sie hätte nach Hause fahren können, um zu schlafen. Aber dann stünde wieder das Kreuz vor ihrem Auge, das seit dem Mord an Gunter Brock in jeder Nacht in jedem Traum auftauchte. Es war das Entsetzlichste, was sie bisher in ihrer Polizeikarriere gesehen hatte. Nicht nur wegen der Brutalität, es war die Symbolik und es war ein Bild, was ihr als guter bayerischer Katholikin seit Kindesbeinen vertraut war. Aber nicht in dieser Realität.
Sie drehte den Wagen und fuhr scheinbar ziellos durch Ehrenfeld, bis sie vor Sandmanns Wohnung stand. Hier brannte Licht. Sie überlegte, ob sie einfach hochgehen und schellen sollte. Einfach um zu fragen, was er wusste. Ein nächtlicher Besuch der Polizei konnte manchmal überraschende Offenheit bringen. Aber sie ließ es bleiben. Hätte sie es getan, hätte sie vielleicht erfahren, dass Marius Sandmann aus den gleichen Gründen nicht schlief wie sie. Den Mann, der in einem schwarzen Peugeot auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkte und das Wohnungsfenster ebenfalls beobachtete, hätte sie aber auch dann nicht bemerkt.
Nach einer ruhelosen Nacht war Marius Sandmann erst im Morgengrauen eingeschlafen. Er erwachte nach einem traumlosen Schlaf gegen Mittag. Trotz der späten Stunde verzichtete er nicht auf seine Übungen, bei den Liegestützen stellte er fest, dass der Boden unbedingt gewischt werden musste. Staub knirschte sanft unter seinen Handballen.
Nach einem tiefen, gierigen Schluck aus der Wasserflasche verließ er das Haus. Obwohl es bereits Mittag war, hatte die Kälte die Stadt fest im Griff. Sein erster Gang führte ihn erneut zu Bauernfeinds Baracke. Der alte Nazi war seine beste Chance. Schwierig wurde es, wenn er keinen Treffer gelandet hätte mit seinem Verdacht. In dem Fall würde er sich noch einmal Brocks Wohnung anschauen müssen, vielleicht hatte er irgendetwas
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