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Kölner Kreuzigung

Kölner Kreuzigung

Titel: Kölner Kreuzigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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warum?«
    »Nein, vielleicht war er nur kurz unterwegs und wollte etwas holen? Es war immerhin heller Tag, ungewöhnlich genug für einen Bombenangriff.«
    Marius dachte nach. Am gleichen Tag, an dem mit großer Wahrscheinlichkeit Bilder aus dem Museum verschwanden, starb der für die Auslagerung verantwortliche Kustos, weil er entgegen allen Sicherheitsratschlägen, wider alle Vernunft, mitten in einem Bombenangriff auf der Straße herumlief. Aber was half ihm diese Information? Steckte der Kustos mit den Bilderdieben unter einer Decke?
    »Vielleicht können Sie mir noch einmal kurz erzählen, wie diese Transporte abliefen?«
    »Das ist recht einfach. Das Museum stellte bei der Reichskulturkammer einen Antrag auf Auslagerung, sofern die Kammer nicht von sich aus bestimmte Kunstschätze auf die Liste nahm. Manche Museen waren ganz und gar nicht begeistert davon, ihre Schätze aus den Händen zu geben. Im Kölner Dom zum Beispiel wurde vieles mit Holz provisorisch verkleidet, aber ob irgendetwas von Wert einen Bombentreffer überlebt hätte, wage ich zu bezweifeln. Den Priestern ging es eh eher um ihre Messen, weniger um ihre Kunst.«
    »Und wenn ausgelagert wurde, sicherte die Wehrmacht die Transporte ab?«
    »Manchmal, aber nicht immer. Je früher ausgelagert wurde, umso größer war die Wahrscheinlichkeit, dass Soldaten als Wachpersonal mitfuhren, später gab es einfach zu wenige. Da mussten die Museumsleute oft selber fahren. Was sie gerne taten, jede Möglichkeit aus den Städten herauszukommen, war willkommen. In Köln lebten am Ende des Krieges auch nur noch ein paar Tausend Menschen. Der weitaus größte Teil war an der Front, auf der Flucht, evakuiert oder tot.«
    »Noch einmal zurück zum Transport. Müsste es nicht einen Beleg in den Akten des Museums geben, wer welche Bilder am 29. Juni ’43 in Empfang genommen und nach Fischelbach gebracht hat?«
    »Doch, müsste es, und das ist jetzt wirklich interessant, warten Sie bitte einen kurzen Moment!« Wirtz hielt offenbar die Hand über das Telefon oder drückte die Stummtaste, während er mit jemand anderem sprach. Marius blieb nichts anderes übrig als zu warten. Nach zwei Minuten war Wirtz wieder da. »Entschuldigen Sie bitte, aber wir stecken hier gerade mitten in den Vorbereitungen für eine Fachtagung. Wo waren wir stehen geblieben?«
    »Es müsste in den Akten des Museums einen Beleg über diesen Transport geben. Sie sind in Ihrem Buch sehr sorgfältig, wenn es um Belege geht, aber für diesen einen Transport gibt es nur einen Beleg aus dem Bergischen, nichts aus dem Museum.«
    »Richtig, und das ist nicht auf Schlampigkeit meinerseits zurückführen, möchte ich betonen. Es gab in den Unterlagen des Museums nichts über diesen Transport.« Marius seufzte leise. Er hatte auf das Gegenteil gehofft.
    »Also sind auch Akten des Museums im Krieg verloren gegangen?«
    »Nein, keine einzige.« Der Professor machte eine Pause.
    »Das heißt, die Akte ist später verschwunden?«
    »So ist es.«
    »Warum?«
    »Ich habe keine Ahnung. Damals hatte ich sogar die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass sie einfach falsch weggeheftet worden war. Aber das Museum ist exakt, wenn es um seine Unterlagen geht. Der Beleg fehlt schlicht und ergreifend, und es ist der einzige Transportbeleg, der fehlt.«
    »Hat Sie das nicht stutzig gemacht?«
    »Und wie! Ich dachte, ich wäre einer Riesensache auf der Spur. Damals war Beutekunst noch kein Thema, und insgeheim hatte ich gehofft, eine Spur zu haben, die zu einem Teil oder vielleicht sogar zu allen in dieser Zeit aus dem Museum verschwundenen Gemälde führt.«
    »Und?«
    »Nichts und. Die Sache war zu vage und ich hatte auch keine Zeit, ihr nachzugehen. Außerdem tauchten zu der Zeit ein oder zwei Werke auf Versteigerungen auf, die sich offenbar Museumsmitarbeiter unter den Nagel gerissen hatten. Nicht alles ist bei diesem einen Transport verschwunden. Möglicherweise gar nichts.«
    Marius legte auf. Frustriert. Wirtz hatte das Gegenteil von dem gesagt, was er sich erhofft hatte. Wenn er jetzt auch noch anfing, alte Museumsmitarbeiter zu überprüfen, würde er sich endgültig verrennen. Das war allein nicht zu schaffen. Warum zum Teufel hatte Brock ihn so wenig eingeweiht? Irgendetwas musste er herausgefunden haben. Deswegen war er ermordet worden. Daran zweifelte Marius keine Sekunde. Er musste versuchen, Brocks Ermittlungen zu rekonstruieren. Nachdenklich blickte er auf die Tafel mit der Familienübersicht der Hochkirchens.

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