Kölner Kreuzigung
Weltkriegs aus der Perspektive der verschiedenen deutschen Armeen beleuchtete. Auch Hochkirchens Truppenteil war vertreten und Marius konnte sein Glück kaum fassen, als er einen umfangreichen Bildteil mit Aufnahmen der Einheit des Rittmeisters entdeckte.
Er betrachtete die Fotos sorgfältig und fand schließlich auf zwei der Bilder einen Mann, der dem heutigen Stadtrat Walter Hochkirchen zum Verwechseln ähnlich sah. Marius hatte ihn zunächst übersehen, hatte er doch eher nach einem Mann Ausschau gehalten, der dem Älteren der beiden Hochkirchen-Brüder ähnlich sah. Dem Berggorilla, nicht dem Lemurenäffchen.
Leider waren die Aufnahmen nur vage beschriftet, sodass sich Marius nicht sicher war, ob es sich tatsächlich um Hochkirchen handelte. Aber das konnte er herausfinden. Mit seinem Handy fotografierte er beide Abbildungen ein paar Mal ab, bis er ein Foto hatte, von dem er hoffte, dass Hermann Hochkirchen darauf gut genug zu erkennen war. Eilig verabschiedete er sich von Bauernfeind. Als er an der Tür war, rief Bauernfeind ihm nach. Marius drehte sich um und sah, wie eine der Handgranaten aus dem Wäschekorb auf ihn zuflog. Marius sprang, um sie aufzufangen, und legte sie respektvoll auf den Tisch in der Mitte.
»Ist die scharf?«
»Ich hab keine Ahnung, Sandmann.« Noch draußen auf der Straße konnte Marius Bauernfeind lachen hören.
Es war ein Leichtes, das Foto aus dem Buch mit einem Bild des älteren Hermann Hochkirchen, dem Vater von Alexander und Walter Hochkirchen, abzugleichen. Die Homepage der Hochkirchen Beteiligungsgesellschaft erinnerte mit einer ausführlichen Biografie, in der der Krieg allerdings nur kurz erwähnt wurde und mehr auf das Wirken des Geschäftsmannes für seine Heimatstadt eingegangen wurde, an den Vater des heutigen Geschäftsführers. Zwei Bilder, eines des jungen Hermann vermutlich aus den 50er-Jahren und ein späteres aus den 80ern, als sich der Patriarch aus der Geschäftsführung zurückzog, ergänzten das Porträt.
Marius kopierte beide Bilder auf die Festplatte seines Laptops und druckte das ältere Foto aus. Dann kopierte er die Aufnahmen, die er bei Bauernfeind gefunden hatte, von seinem Mobiltelefon auf den Rechner. Aus einem der brauchbaren Fotos machte er eine Ausschnittvergrößerung, die er ebenfalls ausdruckte. Als dritten Ausdruck nahm er noch ein Bild aus dem Buch, das eine Gruppe von Soldaten zeigte, die um ihren Rittmeister herumstanden. Danach schnappte er sich Brocks Autoschlüssel, zögerte kurz und entschied sich schließlich doch, den Renault seines toten Chefs zu nehmen.
Nach etwas mehr als zwei Stunden saß er wieder in dem braunen Sessel und dem früheren Hitlerjungen Lutz Heilburg gegenüber, der aufmerksam die drei Fotos betrachtete, die vor ihm auf dem Couchtisch lagen. Er stützte seine Hände auf den Stock, den er zwischen seinen Beinen platziert hatte und sagte lange nichts. Marius wartete geduldig und schwieg ebenfalls. Er wollte Heilburg nicht bedrängen und nicht beeinflussen. Die Chance war vage genug, wenn er jetzt einen Fehler machte, würde er sich in einer völlig falschen Spur verrennen.
»Es ist Jahre her, wissen Sie«, sagte Heilburg schließlich. Er blickte Marius an, als wollte er sich entschuldigen. Dann tippte der alte Mann mit einem knochigen Zeigefinger auf die Vergrößerung, die Marius von Hermann Hochkirchen gemacht hatte. »Aber den würde ich immer noch erkennen. Ihn und seinen Kompagnon hier.«
Heilburg schob den Finger, ohne ihn anzuheben, auf das Gruppenfoto und blieb bei einem kräftigen Mann stehen, der sich neben Hochkirchen postiert hatte und etwas hinter diesem stand. Marius beugte sich vor, um sich das Gesicht genauer anzuschauen.
»Diese beiden Soldaten waren bei dem Transport dabei gewesen. Das waren die Männer.« Marius packte die Bilder ein und bedankte sich. Er war schon halb zur Tür hinaus, als Heilburg ihm hinterherrief.
»Sie sind übrigens nicht der Einzige, der sich für diese Geschichte interessiert. Gestern hat ein Mann angerufen, der sich ebenfalls nach dem Transport aus dem Juni ’43 erkundigt hat.« Marius erstarrte in der Tür.
»Hat der Mann einen Namen genannt?« Heilburg schüttelte den Kopf.
»Nein, aber so alte Geschichten gehen nie zu Ende, oder?«
»Nein, das tun sie nicht«, bestätigte Marius, bevor er ging.
28
Marius parkte den Renault zwischen zwei Bäumen auf dem Seitenstreifen der Helmholtzstraße. Durch ein halb geöffnetes Metalltor ging es in einen
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