Kölner Kreuzigung
übersehen.
Mit Friederike musste er auch endlich reden. Er schob das Gespräch jetzt schon eine Weile vor sich her und war sich nicht sicher, ob es an der Frau oder an der offenen Frage lag, was sie mit der Detektei machen wollte. Zwischenzeitlich hatte Marius sogar mit dem Gedanken gespielt, sein Studium wieder aufzunehmen. Falls das überhaupt noch ging, er hatte sich nicht erkundigt. Alternativ könnte er als Ladendetektiv zurück ins Kaufhaus oder sich auf den Ringen als Türsteher bewerben. Die würden ihn nehmen, da war er sich sicher. Aber wollte er eine dieser Alternativen ernsthaft ins Auge fassen? Wenn er ehrlich zu sich war, dann nicht. Nur: Was sollte er sonst tun?
Marius klopfte an das grüne Holztor, Bauernfeind schob es auf, als er ihn sah, und ließ ihn herein. Der Raum hatte sich nicht großartig verändert, heute allerdings bemerkte Marius den leicht modrigen Gestank, der ihn beherrschte.
Bauernfeind stank nicht weniger, deswegen war Marius froh, dass der Nazi sich hinter seinem wackligen Tisch aufbaute. Offenbar wartete er auf die zweite Rate, Marius zog das Geld aus der Tasche und legte es in zusammengeknüllten Scheinen auf den Tisch, Bauernfeind nahm es und steckte es wortlos in die Taschen seiner Bomberjacke.
Marius musste hoffen, dass sich die Investition in den Nazi gelohnt hatte. Viel mehr Geld war auch nicht mehr übrig. Brocks Kasse in der Detektei wollte Marius nicht anbrechen, außerdem wusste er gar nicht, wie viel da drin war. Aber das Geld gehörte nun zunächst einmal Friederike. Deswegen streckte er selbst die Kosten für die Ermittlungen vor, ohne eigentlich eine Idee zu haben, wer ihm das bezahlen sollte.
Nachdem Bauernfeind das Geld eingesteckt hatte, ging er zu einem Regal im hinteren Teil der kleinen Halle und nahm einen dicken, erstaunlicherweise wenig verstaubten Wälzer hervor. Wie ein Messbuch trug er ihn zum Tisch, wo er ihn aufgeklappt vor Marius hinlegte. Mit dem Finger zeigte er auf eine Stelle in dem Buch. Marius konnte Namen, Dienstrang, Zugehörigkeit zum Truppenteil und Dienstzeit erkennen.
»Hast Glück gehabt, Sandmann. Dein Typ war kein ganz so kleines Licht. Das machte die Suche leichter. Einen Rittmeister findet man schon einmal. Hat sich auch durchaus ausgezeichnet im Kampf für die deutsche Sache, würde ich sagen. Willst du seine Parteikarriere auch haben?« Bauernfeind grinste zufrieden. Wahrscheinlich machte es ihm eine diebische Freude, Marius einen Geistesgenossen präsentieren zu können.
»Mich interessiert vor allem, was er im Juni 1943 gemacht hat.«
»Richtig, ja.« Bauernfeind wollte schon weiterreden, hielt aber plötzlich inne. »Ging es nicht um eine Familiengeschichte?«
»Genau. Für einen Freund.« Im Stillen dachte Marius, dass das nicht einmal gelogen war. Zumindest nicht wirklich gelogen.
»Warum dann das Interesse an dieser Zeit?« Marius grinste nun seinerseits.
»Eine Liebesgeschichte.« Bauernfeind nickte.
»Das passt. Im Juni und Juli 1943 war Rittmeister Hermann Hochkirchen in Köln. Er hatte Heimaturlaub, um sich von einer Schussverletzung zu erholen. Danach ging er mit seiner Einheit nach Italien, die Amerikaner bekämpfen.«
»Er war in Köln?« Bauernfeind bejahte unwirsch.
»Sagte ich doch. Glaubst du mir nicht, oder was?«
»Schon gut, ich glaub’s ja.« Es passte einfach zu gut. »Du hast nicht zufällig ein Foto von Rittmeister Hochkirchen gefunden?« Bauernfeind deutete auf eine alte Armeekiste.
»Du kannst dich gerne da drin umsehen. Da liegen ein paar tausend alte Fotografien aus der Zeit, vielleicht ist er dabei. Kostet auch nichts extra, wenn du mir die Bilder sortierst.« Marius zog einen weiteren Fünfzigeuroschein aus der Hose.
»Hast du nicht irgendetwas über seine Einheit in Buchform?«
»Schau dich da hinten mal um.« Bauernfeind wies mit der Hand auf ein altes Regal an der Außenwand, die oberste Lage war mit alten Stahlhelmen belegt, die von der Nässe glänzten, die der Regen durch die kaputten Fenster oberhalb hereinwehte. Marius sah sich die Bücher an, es war die wahrscheinlich umfangreichste Bibliothek über den Zweiten Weltkrieg, die er jemals gesehen hatte. Unwillkürlich musste er daran denken, dass das Historische Institut der Universität kaum besser ausgestattet sein konnte. Allerdings dürften deren Bücher in weitaus besserem Zustand sein.
Der Detektiv brauchte drei Stunden, bis er auf etwas stieß, das ihm weiterhalf. Ein umfangreicher Wälzer, der die Geschichte des Zweiten
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