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Kölner Kreuzigung

Kölner Kreuzigung

Titel: Kölner Kreuzigung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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einem Raum, rasch warf Marius einen Blick in eine kleine Küche und ein noch kleineres Bad, bevor er einen Raum betrat, der dem alten Mann als Schlaf- und Wohnzimmer diente. Peter Ring stand in der Mitte des Raumes, trotz seines Alters ein körperlich kräftig wirkender Mann. Marius schätzte ihn dennoch auf mindestens 80 Jahre. Als er ihm näher kam und in die Augen schaute, hatte er allerdings das Gefühl, einem 100-Jährigen gegenüberzustehen. Rings Händedruck war nachlässig und schwach. Marius schaute sich um. Wenn das der Mann war, der gemeinsam mit Hermann Hochkirchen zwei Lkws mit Kunstschätzen ausgeraubt hatte, hatte er in seinem Leben nicht viel davon gehabt. Der Detektiv sprach das an.
    »Ich wollte nichts. Eigentlich hätte mir die Hälfte zugestanden, aber nach diesem Tag wollte ich mit der ganzen Geschichte und mit Hermann nichts mehr zu tun haben.«
    »Hermann Hochkirchen hatte das akzeptiert?« Marius zog überrascht eine Augenbraue hoch.
    »Wir sind Cousins, müssen Sie wissen, fast gemeinsam aufgewachsen, zur Schule gegangen, zusammen im Krieg gewesen. Die Mitglieder der Familie Hochkirchen zeichnen sich nicht unbedingt durch allzu viele Skrupel aus, aber Hermann hat mich nie bedroht.« In den nächsten zwei Stunden erzählte Peter Ring das erste Mal in seinem Leben die gesamte Geschichte vom 29. Juni 1943, dem Peter-und-Paul-Tag. Danach wirkte er müde, noch müder als zuvor, aber auch deutlich erleichtert. Marius ließ sich eine Wegbeschreibung zu dem Stollen geben, auch wenn er sich sicher war, dort nichts mehr zu finden.
    »Würden Sie das auch vor der Polizei aussagen?« Das erste Mal wirkte Ring verängstigt.
    »Vor der Polizei? Nach so langer Zeit? Ich weiß nicht, was Hermann dazu sagen würde.«
    »Aber Sie haben mit mir geredet?«
    »Sie wären früher oder später sowieso hierhergekommen, und es war einfach an der Zeit, darüber zu reden. Über 60 Jahre habe ich geschwiegen, obwohl ich die beiden Gesichter jeden Tag vor mir sehe. Ich kann einfach nicht mehr.«
    Ein paar Minuten später verließ Marius das Hochhaus bereits wieder. Er war sich sicher, dass Ring seine Aussage bei der Polizei nicht wiederholen würde, selbst wenn er sie ihm direkt auf den Hals hetzen würde. Marius fühlte sich wie ein Priester oder Beichtvater. Ring hatte sein Gewissen erleichtert, aber auch nach 60 Jahren fürchtete er seinen Vetter Hermann Hochkirchen noch so sehr, dass er öffentlich lieber weiter schwieg.
    Der Detektiv hatte nun die Gewissheit, dass es der alte Hochkirchen selbst gewesen war, der die Bilder im Krieg geraubt hatte. Allerdings blieb eine entscheidende Frage offen, auch Peter Ring hatte ihm diese Frage nicht beantworten können. Wie hatte die Familie Hochkirchen das Bild nach dem Krieg erneut verloren? Marius war sich sicher, dass weder Alexander noch Walter Hochkirchen eine Ahnung hatten, wo sich Lochners Kreuzigung heute befand. Alexander hätte ein Vermögen bezahlt, wenn Marius etwas über das Bild gewusst hätte. Walter war ebenfalls an Informationen interessiert. War es möglich, dass der Vater das Bild vor den Söhnen versteckt hielt?
    Das bezweifelte Marius. Es ergab auch keinen Sinn. Der Detektiv war überzeugt, dass die beiden Söhne das Bild nach dem Krieg gesehen hatten und zwar genau dort, wo es auf dem Foto hing. Er musste diesen Raum finden. Er musste mit Hermann Hochkirchen sprechen, wenn der mittlerweile 90-Jährige überhaupt noch ansprechbar war. Zunächst aber würde er morgen den Stollen untersuchen, von dem Ring ihm erzählt hatte.
    Eine Gruppe lärmender Jugendlicher ging an Marius vorbei und machte ein paar provozierende Gesten in seine Richtung, als er den Renault aufschloss. Er ignorierte die Provokationen, stieg in den Wagen und fuhr heim. Weder er noch die türkischen Jungen beachteten den Mann, der nach Marius die Treppen zum Hochhaus hinaufging.
     
    Am nächsten Vormittag stand Marius vor einem offenbar seit Jahren nicht mehr geöffneten Tor, das mitten in einen Berg hineinzuführen schien und musterte gründlich das Schloss, das ihm den Weg in den Berg versperrte. Nach reiflicher Überlegung entschied er sich für die rabiate Methode. Aus dem Kofferraum des Renault holte er ein schweres Brecheisen und brach das Tor mit roher Gewalt einfach auf. Dann schob er es auf und schaute in die Dunkelheit hinein. Nichts war zu sehen, Strom oder Licht schien es nicht zu geben. Er knipste eine Stablampe an und leuchtete einen roh aus dem Berg gehauenen Stollen

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