Kölner Kreuzigung
brauchte eine Uhr. Sein Handy! Das wäre nicht nur eine Uhr. Wenn es hier unten Empfang gab, konnte er Hilfe rufen, wenn nicht, konnte er den Blitz der Kamera als Taschenlampe benutzen.
Hektisch suchte er seine Hosentaschen ab, tatsächlich steckten Schlüssel, Portemonnaie und auch das Mobiltelefon da, wo er sie vermutet hatte. Marius konnte sein Glück kaum fassen. Er kramte das Telefon hervor, wollte es anschalten, aber es blieb tot. Kein Licht. Vielleicht war er doch blind?
Mit leicht zitternden Fingern tastete er das Handy ab, wog es in der Handfläche. Es lag ungleichmäßig in seiner Hand. Marius hielt es auf zwei Fingern in der Waage, doch es fiel mit einem scheppernden Geräusch auf den Boden. Er brauchte einige Minuten, bis er es tastend wiedergefunden hatte. Dann öffnete er das Akkufach und griff ins Leere. Sein Angreifer hatte offenbar einen ganz eigenen Sinn für Humor. Er hatte ihm das Handy gelassen, aber den Akku mitgenommen.
Wütend wollte Marius das nutzlose Telefon von sich schleudern, doch die Bewegung schmerzte so sehr, dass er aufschrie und den Arm sinken ließ, das Handy immer noch in der Hand.
Was für ein Arschloch, dachte er bei sich und seine Wut brachte ihm neue Energie. Er schob sich an der Wand hoch und machte erste tastende und wacklige Schritte in der Dunkelheit. Er war sich nicht sicher, wo er war. Falls er noch in dem alten Stollen war, dann abseits des Eingangs, denn er sah kein Licht, nirgends.
Langsam tastete er sich die steinerne, raue Wand entlang, bis er eine Kante fühlte. Hier ging ein Gang ab. Marius wusste nicht, ob dieser Gang in die richtige Richtung führte, aber er ließ es drauf ankommen. Solange er sich an der Wand hielt, konnte er sich orientieren. Zur Sicherheit tastete er die Kante gründlich von oben bis unten ab – der Gang, der hier anfing, war offensichtlich nicht sehr hoch – und prägte sich einige Stellen ein. So hoffte er, im Zweifelsfall seinen Ausgangspunkt wiederfinden zu können. Dann schob er sich langsam, vorsichtig Fuß vor Fuß setzend, an der Wand weiter den Gang hinein.
Nach zwei Metern jedoch stieß er auf ein Hindernis: Eine Gittertür versperrte ihm den Weg. Marius rüttelte an ihr, aber sie blieb verschlossen. Seine Finger tasteten nun schon routiniert und zügig die Tür ab und fanden bald ein neues Vorhängeschloss, das an einer Kette hing und das die offenbar zuvor aufgebrochene Tür verschloss. Jedenfalls wusste Marius nun, wo er war. Der Angreifer hatte ihn im Stollen zurückgelassen und in eine der Kammern gesperrt. Vermutlich weit genug weg vom Eingang, sodass ihn draußen niemand hören konnte. Marius rief trotzdem und bekam außer einem müden Echo keine Antwort. Der Detektiv hatte nichts anderes erwartet. Erschöpft sank er am Gitter zu Boden.
Frustriert blätterten Paula Wagner und Hannes Bergkamp in den Unterlagen aus Berlin. Jeder saß mit einem Papierstapel an seinem Schreibtisch, inzwischen hatten sie die Stapel schon getauscht, aber etwas Nützliches hatte keiner von ihnen entdecken können.
»Das ist alles nur ein Haufen Scheiße«, fluchte Paula Wagner und Bergkamps Schweigen war ihr Zustimmung genug. »Damit sind wir genauso weit wie vorher. Brocks damalige Kontakte sind entweder im Knast, tot oder haben ein wasserdichtes Alibi. Ein paar scheinen mir sogar alles gleichzeitig anbieten zu können.«
»Vielleicht macht sie gerade das verdächtig?«, warf Bergkamp ein, aber überzeugt klang er nicht.
»Keiner von denen hätte es in der fraglichen Zeit nach Köln geschafft, und für einen Auftragsmord hat keiner von denen die Klasse.« Wütend knallte sie den Stapel auf den Tisch, einige Papiere landeten auf dem Fußboden. Paula Wagner beachtete das nicht. Draußen vor der Bürotür setzte Geschrei ein und fesselte ihre Aufmerksamkeit.
»Tu dein Schwert an seinen Platz. Denn alle, die zum Schwerte greifen, werden durch das Schwert umkommen!«, brüllte es im Flur, ein Polizist in Uniform öffnete die Tür und schob gemeinsam mit einem Kollegen einen erstaunlichen Mann herein.
Die Beamten konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen. Fragend wandte sich der erste Polizist an Paula Wagner: »Erfüllt das schon den Straftatbestand der Beamtenbedrohung?« Der Mann in ihrer Mitte ließ sich allerdings nicht beirren.
»Wie gegen einen Räuber seid ihr ausgezogen mit Schwertern und Knütteln, um mich gefangen zu nehmen.«
»Ja, ja, nun setz dich erst einmal hin«, antwortete der zweite Streifenbeamte auf die Tirade
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