zu sagen. Dabei dreht er sich auf dem Stuhl ein bisschen zur Seite und nimmt den Computer auf den Schoß. So können Paula und Marco den Bildschirm nicht sehen.
Paula beobachtet Marco. Der sieht demonstrativ zur Leinwand hinter Anselm und verzieht keine Miene. Mittlerweile tut er ihr leid. Gleichzeitig ist sie gespannt, was Anselm noch alles über ihn herausfinden wird – allein auf der Grundlage einer E-Mail-Adresse! Schließlich hört Anselm auf zu tippen. Er betrachtet den Bildschirm, schiebt die schwarze Brille ein Stück weiter die Nase hinauf und lehnt sich zurück. Dann beginnt er zu berichten, was er herausgefunden hat.
Zunächst hat er nach der Begriffskombination »Marco Bonn Rosenstolz« suchen lassen. Auf einer weiteren Fan-Website ist er so auf einen Kommentar zu einem Konzert gestoßen, unterschrieben mit mar-coma, Bonn. Dazu eine neue E-Mail-Adresse:
[email protected].
»mar-coma?«, fragt Paula.
Marco antwortet nicht. Er reibt sich die Knöchel. Ansonsten sitzt er regungslos.
Unter dem Namen mar-coma bietet jemand bei Ebay ein Set Golfschläger an. Damit habe ihn Marco überrascht, sagt Anselm. Kurz habe er gezweifelt, ob dieser mar-coma mit Marco Ellert identisch sei. Aber bei der Kombination von Marcos bürgerlichem Namen und dem Suchbegriff »Golf« sei er auf die Seite eines Golfclubs in Bad Godesberg gestoßen. Dort sei wieder ein Foto von Marco zu sehen gewesen. Daneben der Hinweis, Marco arbeite für den Club nebenberuflich als Trainer.
»Interessanter ist aber die andere Spur, die mar-coma im Netz hinterlassen hat«, sagt Anselm. »Du warst ja mal ziemlich engagiert. Oder bist du es immer noch?« Er zeigt den beiden einen mehrere Jahre alten Eintrag. Er steht auf der Plattform einer radikalen Umweltschutzorganisation. Dort beteiligt sich ein User namens mar-coma aktiv an den Planungen zum Boykott der Produkte mehrerer Erdölkonzerne. Mitarbeiter dieser Firmen fordert mar-coma zur Sabotage auf.
»Sag mal, das Unternehmen, für das du arbeitest, gehört doch zum Shell-Konzern, oder?«, sagt Anselm. »Wissen deine Kollegen, wer mar-coma ist?«
Marco steht auf. »Jetzt reicht’s aber!«, sagt er. Schweiß steht auf seiner Stirn. »Warum machst du das?«
Hinter ihm beschweren sich mehrere Leute, denen Marco die Sicht versperrt.
»Ich will euch nur zeigen, wie leicht ihr Spuren hinterlasst«, sagt Anselm. »Nur durch eure E-Mail-Ad–«
»Ach, hör doch auf! Glaubst du, ich merke nicht, wie viel Spaß dir das macht? Du kannst mich mal.« Marco dreht sich um und bahnt sich seinen Weg zum Ausgang.
Einer der Umstehenden sagt: »Na endlich.«
Ein anderer applaudiert.
»Jetzt hat er mich doch noch überrascht«, sagt Paula. »Und zwar positiv. Wurde echt Zeit, dass er dir die Meinung sagt.«
»Ja«, meint Anselm, »ich finde ihn plötzlich auch viel interessanter. Schleicht sich in dieses Unternehmen ein, um seine idealistischen Ziele zu verfolgen. Und dann noch Golflehrer … Golflehrer und Umweltaktivist. Was ist denn das für eine abgefahrene Kombination, bitte?«
ZEHN
Als Hannas Telefon klingelt, sind Marek und Lukas noch nicht vom Einkaufen zurück. Vor einer Stunde ist Kadrics Handlanger gegangen. Mit Cramers Adressbuch und den widerlichen Fotografien von Hannas Vater. Seitdem sitzt sie am Küchentisch und starrt den Kühlschrank an. Sie möchte heulen, aber es gelingt ihr nicht. Stattdessen hat sie ihre Wut über die Erpressung hinausgeschrien. Dabei richtet sich ihre Wut weniger gegen Kadrics Mann als gegen sie selbst. Wie konnte sie sich das nur gefallen lassen?
Immer wieder muss sie an ihre Dienstwaffe in der verschlossenen Küchenschublade denken. Warum hat sie nicht vorgegeben, Cramers Notizbuch befinde sich in dieser Schublade? Sie hätte das Schloss geöffnet, die Schublade aufgezogen, die Waffe herausgenommen – wahrscheinlich hätte er die Pistole in ihrer Hand nicht schnell genug bemerkt. Irgendetwas scheint mit seinen Augen nicht in Ordnung zu sein. Das hat ihr sein unsicherer Blick verraten. Wenn sie einander in die Augen gesehen haben, hat sein Blick nie genau den ihren getroffen. Ihren Kollegen hätte sie erzählt, er sei mit gezogener Waffe auf sie losgegangen. Wer hätte daran gezweifelt?
Und wer ist schuld daran, dass sie ihn nicht einfach abgeknallt hat? Hannas Vater. Sein Ideal vom gerechten Polizisten, der nur schießt, um Leben zu retten. Ihr Vater, der vor Frauen hinter Tiermasken und Männern in Henkerkostümen niederkniet.
Nachdem Hanna die Wut aus sich