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Kölner Kulissen

Kölner Kulissen

Titel: Kölner Kulissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Pranschke
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Klinge gesteckt hat. Es scheint, als könnte er nicht glauben, was er da sieht. Verwirrt betrachtet er das Blut, das zwischen seinen langen, schmalen Fingern hindurchrinnt. Er hat schöne Hände, schießt es Zoltan durch den Kopf. Dann wendet er sich rasch ab und steuert auf die Menschenmenge in der Hohe Straße zu.
    »Scheiß-Amateur!«, murmelt er.

ZWEIUNDZWANZIG
    Hanna hat Weyrauch gebeten, den Wagen zu lenken. Normalerweise übernimmt sie das. Das Auto zu steuern hilft ihr dabei, ihre Gedanken zu ordnen. Doch heute ist ihr sogar das zu viel. Am liebsten wäre sie im Präsidium geblieben. Aber Weyrauch hat gesagt, es sei wichtig für sie, zur Beerdigung von Julia Schwartz zu gehen. Obwohl er sie längst davon überzeugt hat, doziert er noch immer über dieses Thema. Dabei bewegt sich der Dienstwagen im Schritttempo über die Vorgebirgsstraße. Sie hören die Sirene eines Rettungswagens. Irgendwo hat es einen Unfall gegeben. Sie werden zu spät kommen.
    »Es ist wichtig, sich seinen Dämonen zu stellen«, sagt Weyrauch.
    »Was für Dämonen?«
    »Zum Beispiel Paula Farkas.«
    »Jetzt mach sie nicht bedeutender, als sie ist. Von wegen Dämon. Eine ganz gewöhnliche Mörderin ist sie.«
    »Du steigerst dich da in etwas hinein, Hanna.«
    »Ich hab sie dort gesehen! Und Kapetanovic auch. Während du schon in Bierlaune warst.«
    »Dein Vater war echt enttäuscht, weil du nicht zu seiner Abschiedsfeier gekommen bist.«
    »Mein ehrenwerter Vater sollte stolz auf mich sein, weil ich meinem Dienst nachgegangen bin.«
    »Jetzt beruhig dich doch mal. Du darfst das nicht so nah an dich heranlassen. Dr.   Funke sagt das übrigens auch.«
    »Lass mich bloß mit deinem Dr.   Funke in Ruhe.«
    Weyrauch seufzt und schweigt, bis sie den Südfriedhof in Zollstock erreichen. Die Zeremonie hat längst begonnen. Sie sehen Angehörige und Freunde von Julia Schwartz aus der Trauerhalle treten und zum Grab schreiten. Hanna und Weyrauch bleiben in einiger Entfernung unter einer Linde stehen. Letzte Nacht hat es geregnet, und hier, im Schatten des Baumes, ist das Gras noch feucht. Die halbe Nacht hat Hanna am Küchenfenster verbracht. In Gesellschaft einer Flasche Rotwein hat sie beobachtet, wie der Regen schwer auf den Asphalt unter ihrem Fenster geklatscht ist. Aber auch der Wein hat ihr nicht geholfen, zu verstehen, wie Paula Farkas die Sache am Freitagnachmittag eingefädelt hat. Denn dass die Schauspielerin hinter all dem steckt, daran besteht für sie kein Zweifel mehr.
    Erst Cramer, dann Schwartz und jetzt auch noch Wallenstein. Letzteren kann sie zwar nicht getötet haben, denn zur Tatzeit war sie in derselben S-Bahn wie Hanna. Und doch ist sie sicher, dass Paula Farkas die Schuld an Wallensteins Tod trägt. Entweder steckt sie mit Kapetanovic unter einer Decke, oder es ist ihr gelungen, ihn auf Wallenstein zu hetzen. Kopfzerbrechen bereitet Hanna lediglich die Frage nach dem Motiv. Heute, am Montagmorgen, hat sich Benrath wegen genau dieses fehlenden Puzzleteils nicht von ihrer Theorie überzeugen lassen. Benrath hat entschieden: Cramers Tod war ein Unfall, Julia Schwartz wurde von Einbrechern ermordet, und Vincent Wallenstein ist das Opfer eines Straßenraubs.
    »Bewaffnete Straßenräuber?«, hat Hanna gefragt. »Am Freitagnachmittag in der Fußgängerzone?«
    Aber Benrath hat sich auf keine weiteren Diskussionen eingelassen. In dem Moment hat Hanna begriffen, dass er die Sache einfach abschließen will. Er will die Zusammenhänge nicht sehen. Es ist nicht das erste Mal, dass ein Fall zu den Akten gelegt wird, weil ein Vorgesetzter keine Chance auf einen Ermittlungserfolg sieht. Die meisten Kollegen finden sich damit ab. So wie Weyrauch. Wenn er ehrlich zu sich selbst wäre, denkt Hanna, müsste er sich doch eingestehen, dass sie vor den Tätern kapitulieren. Aber nein, Weyrauch findet sich mit Benraths Weisung ab und wendet sich anderen Dingen zu. Haben sie nicht genug Fälle, bei denen der Ermittlungserfolg greifbar ist? Beim Gedanken an diese Einstellung könnte Hanna übel werden. Und doch ist sie unter ihren Kollegen weit verbreitet. Hanna fragt sich, wie lange sie ihren Beruf noch ausüben kann, ohne sich ebenfalls diese Sichtweise anzueignen. Sie fragt sich das nicht zum ersten Mal.
    Hätte Weyrauch sich am Freitag nach ihrem Anruf nur ein wenig beeilt! Doch Wallenstein war nicht mehr zu retten, als Weyrauch um Viertel nach vier in der Hohe Straße ankam. Passanten hatten den vor einer Hauswand zusammengesunkenen Mann

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