Kölner Luden: Sandmanns dritter Fall
Kölner Adresse für diesen Namen. Mit Verenas Wagen fuhr er hinaus in eine kleine ruhige Vorortstraße von Köln-Lövenich. Die Nummer 26 war ein einstöckiges, hellbraun verklinkertes Haus mit weit heruntergezogenem Dach und Blumentöpfen vor der Tür. Links schloss sich eine Garage mit dunklem Tor an den Bau an, rechts führte ein kleiner Weg am Haus vorbei in den Garten. Hier also wohnte ein Monster.
Eine getöpferte Vogelstatue stand neben der Eingangstür vor einem Glasfenster und schaute zu Marius hinauf. Ein Vorhang hinter dem Glas hielt seinen eigenen neugierigen Blick ab. Der Detektiv schellte, eine melodische Klingel ertönte im Inneren des Hauses. Wenige Augenblicke später hörte er schnelle, klappernde Schritte hinter Vorhang und Tür.
Eine Frau um die 60 öffnete ihm. Trotz hoher Absätze war sie ein gutes Stück kleiner als er. Mit ihrer Kleidung versuchte sie jünger zu erscheinen, als sie war. Kein erfolgreicher Versuch.
»Ich möchte zu Helm Münzenberg«, sagte Marius nach einer kurzen Begrüßung.
Die Frau schien unbekannten Besuch für ihren Mann gewohnt zu sein. Ohne weitere Fragen bat sie Marius hinein und führte ihn durch ein Wohnzimmer, dass von einer dunkel vertäfelten und mit Schnitzereien verzierten Schrankwand beherrscht wurde, auf eine helle Terrasse. Unter einem gelb-weiß gestreiften Sonnendach saß ein kräftiger Mann in seinen 70ern, das dichte graue Haar sorgfältig nach hinten gekämmt. Überrascht schaute er Marius an. Als der Detektiv Münzenbergs Stimme vernahm, wusste er warum. Der kölsche Klang hatte sich in sein Gedächtnis eingebrannt, gerade weil er sein Gesicht hinter dem grellen Licht nicht hatte sehen können.
»Was willst Du?«
Marius brachte kein Wort heraus. Das Selbstbewusstsein, das Gefühl, die Hölle hinter sich gebracht zu haben, hatte sich unter dem rheinischen Tonfall seines Gesprächspartners binnen Augenblicken aufgelöst. Jeder Bluterguss schmerzte erneut. Unkontrollierbar tobte der Schmerz wieder in seinem Körper.
Misstrauisch stand Münzenberg auf. Marius blieb starr, als der alte Zuhälter ihn barsch umdrehte und abtastete. Es wäre ihm ein leichtes gewesen, den Mann niederzuschlagen. Hätte er sich aus seiner Starre lösen können.
»Noch einmal: Was willst Du? Da du keine Waffe hast, nehme ich nicht an, dass du auf Rachefeldzug bist. Also mach’s Maul auf!« Mit einer herrischen Geste wies er auf einen der freien Stühle. Marius setzte sich, schwieg weiter. »Junge, wenn du nicht bald redest, schmeiß ich dich raus. Meine Zeit ist zu kostbar für solche Spielchen.«
Die Frau erschien in der Terrassentür, als habe sie drinnen auf ihr Stichwort gewartet. Der Alte schüttelte den Kopf. »Ich komme hier zurecht.« Stumm, wie sie gekommen war, verschwand die Frau. Marius war überzeugt, dass sie von drinnen alles im Blick behielt.
»Ich brauche Informationen«, antwortete Marius, als er endlich seine Sprache wiedergefunden hatte. »Wenn ich Siegfried Baumgart finden soll, müssen Sie mir mehr über ihn erzählen.«
Münzenberg runzelte leicht die gebräunte Stirn. »Wenn ich mehr über ihn wüsste, würde ich eine Pfeife wie dich nicht suchen lassen. Den Namen Siggi Baumgart habe ich seit Jahrzehnten nicht mehr gehört.«
»Mir begegnet er in letzter Zeit dauernd. Sie wissen, dass er ›Unter Krahnenbäumen‹ aufgewachsen ist. Es gibt ein ziemlich berühmtes Foto, auf dem er zu sehen ist.« Marius reichte dem Luden den laminierten Chargesheimer.
»Das hast Du uns alles schon in der Bar erzählt. Wieder vergessen?«
Marius erwiderte nichts. Stattdessen kramte er das zweite Foto Siggis hervor. »Das letzte Lebenszeichen von Siggi Baumgart ist das hier.« Er reichte Münzenberg das Foto Baumgarts mit Kay Cash aus Wallensteins Zeitungsartikel. Der nahm es, sah kurz darauf und zerknüllte das Papier in seinen Händen.
»Ihre Tochter, nicht wahr? Kathrin Münzenberg, die sich den Künstlernamen Kay Cash gegeben hat. Wenn ich Siggi finden will, muss ich mit ihr reden. Leider habe ich keine Ahnung, wo ich sie finden könnte.«
Der alte Mann starrte auf das zerknüllte Papier in seinen Händen, die Adern auf seinen Armen traten deutlich hervor, an seinem Hals konnte Marius die Sehnen deutlich erkennen. Schließlich sprang Münzenberg auf, sein Stuhl kippte nach hinten und landete polternd auf dem Steinboden der Terrasse. Marius wollte in einem Reflex die Hände vors Gesicht reißen, hielt sich aber zurück. Seine Knie zitterten. Jeden
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