Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
Todes.
Die Alternative dazu erschien ihr
ungleich reizvoller. Schlüssel hatte ihre Einladung postwendend angenommen und ihr
damit Einblick in sein Privatleben gewährt. So wusste sie jetzt, dass sich der junge
Forensiker, den Volker Brandt bei ihrem letzten Besuch in der Rechtsmedizin zusammengestaucht
hatte, heute Abend mit ein paar Kollegen in einer Kneipe auf der Aachener Straße
in Braunsfeld treffen würde. Ihr wöchentlicher ›Leichenschmaus‹, wie die Kollegen
Schlüssels das auf Facebook nannten. Paula Wagner betrat einige Minuten vor den
Rechtsmedizinern die Kneipe. Sie setzte sich an die Theke und bestellte einen Weißwein.
Nach Jahren hatte sie sich weder an Bier im Allgemeinen noch an das heimische Gebräu
im Speziellen gewöhnen können. Sie war das Kind einer Weinregion.
Es dauerte keine 30 Sekunden, bis
ihr ein einsamer Trinker, der an einem kleinen Bistrotisch in der Nähe der Fenster
saß, zuprostete. Paula Wagner ignorierte ihn und war froh, als wenige Minuten später
die Tür aufging und eine lärmende Gruppe von drei Männern und zwei Frauen die Kneipe
betrat. Marlon Schüssel schaute sie kurz irritiert an, als würde er sie kennen,
aber nicht einordnen können. Paula gelang es, einen ähnlichen Gesichtsausdruck aufzusetzen
und überzeugend überrascht zu fragen: »Marlon? Marlon Schlüssel? Rechtsmedizinisches
Institut?« Dann hüpfte sie von ihrem Barhocker, strahlte den jungen Mann an und
streckte ihm die Hand entgegen: »Kommissarin Paula Wagner. Wir sind uns vor ein
paar Tagen in Ihrem Institut über den Weg gelaufen.«
Endlich nahm Schlüssel die angebotene
Hand. »Ich habe heute ihre Facebook-Anfrage beantwortet, Frau Kommissarin.«
»Wie schön, das habe ich noch gar
nicht mitbekommen«, log Paula. Sie lächelte Schlüssel an, der die Situation nicht
richtig einordnen konnte. Zu Paulas Glück waren seine Begleiter etwas zielstrebiger.
»Möchten Sie sich vielleicht zu
uns setzen, Frau Kommissarin? Wir sind eigentlich eine kleine private Kollegenrunde,
aber freuen uns über hübsche, neue Gesichter.«
»Vor allem, wenn sie noch lebendig
sind«, pflichtete der dritte Mann im Bunde, ein kleiner Kerl mit Vollbart und Glatze
in einem schwarzen T-Shirt unter dem olivgrünen Parka ihm bei. Da niemand widersprach,
nahm Paula die Einladung an. Nach erfreulich unterhaltsamen zwei Stunden, in denen
sich Schlüssel und seine Kollegen als zugleich trinkfest und trinkfreudig erwiesen
hatten, kam die Kommissarin langsam auf ihr eigentliches Anliegen zu sprechen. Mittlerweile
waren sie alle per Du.
»Ihr seid doch Experten«, hob sie
an, »mich beschäftigt da etwas seit Tagen.«
»Bäh, Arbeit«, entfuhr es dem sichtlich
angetrunkenen Marlon Schlüssel.
Der kleine Mann mit Bart, der Peter
hieß und geschieden war, wie Paula inzwischen wusste, fuhr dazwischen. »Worum geht’s?«
»Na, Marlon hat schon recht. Für
euch ist das Arbeit und das hier ist eure Freizeit«, antwortete Paula. »Außerdem
könnt ihr mir wahrscheinlich eh nicht weiterhelfen.«
»Hohoho«, hörte sie Peter empört
ausrufen. »Das wollen wir doch einmal sehen, oder?«, fragte er in die Runde der
Kollegen, die seinem Protest eifrig zustimmten.
Paula ließ sich nur zu gerne überzeugen.
»Okay, passt auf. Es geht um Folgendes: Wenn ich eine Leiche aus dem Rhein fische,
kann ich dann feststellen, wo diese Leiche in den Fluss gefallen ist?«
Peter und die beiden Frauen schüttelten
den Kopf.
»Keine Chance. Da spielen zu viele
Faktoren eine Rolle: Wetter, Strömung, Gewicht der Leiche, Treibgut, Schiffsverkehr,
Wasserstand – um nur ein paar zu nennen. Unmöglich!« Die anderen stimmten ihnen
zu Paulas Enttäuschung umgehend zu. Nur Marlon schwieg, die Augen halb geschlossen,
als sähe er in sich hinein. Dann blickte er in die Runde.
»Es wäre möglich«, sagte er und
schwieg erneut, um die Wirkung seiner Worte zu beobachten.
Die blieb nicht aus und reichte
von »Du spinnst!« bis zu »Wie willst du das machen?«. Paula schob nach, um Marlon
zum Weiterreden zu bewegen. Marlon beugte sich vor, die anderen folgten seinem Beispiel.
Von außen hätte man den Eindruck haben können, ein Verschwörergrüppchen hecke etwas
aus.
»Passt auf«, begann Marlon und hob
einen vom Alkohol leicht zittrigen Finger, »die Frage ist doch: Was wissen wir?
Hast du ein paar Angaben, die uns weiterhelfen könnten? Tag des Fundes, Gewicht
der Leiche und so? Wissen wir, wie lange die Leiche ungefähr im Wasser lag?«
Paula nickte. Ihre
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