Kölner Totenkarneval: Sandmanns zweiter Fall (German Edition)
Ecke etwas frisch zu machen. Ihr Lächeln
wich einem besorgten Ausdruck, als er näher kam. Zu den Verletzungen aus der Schlägerei
mit Kurt Maassen kamen nun noch die Hautabschürfungen und die kräftige Beule auf
der Stirn, die Marius’ Bürotür hinterlassen hatte.
»Haben die Prolls aus dem Kurs dir
aufgelauert?«, fragte sie besorgt, als er sich zu ihr herunterbeugte, um sie zur
Begrüßung auf die Wange zu küssen. Jessica weigerte sich, den Kopf zur Seite zu
neigen.
»Nein, mir ist eine Tür auf den
Kopf gefallen.«
»Kann es sein, dass du Ärger anziehst?«
Gute Frage, dachte Marius.
»Und du warst shoppen?«, redete
Jessica aufgeregt weiter. »Ich dachte, Männer hassen shoppen.«
»Manchmal fügen wir uns in das Unvermeidliche.«
Eine Kellnerin unterbrach ihr Gespräch. Marius bestellte für sie beide Cocktails,
einen Daiquiri für Jessica, einen alkoholfreien Distance Runner für sich.
»Hattest du eigentlich einmal Probleme
mit Alkohol?«, fragte sie zögerlich.
»Wie kommst du darauf?«
»Weil du keinen trinkst.« Als wäre
das die logischste Erklärung der Welt.
Sie stießen an, an Jessicas Glas
klebte noch die Serviette, auf der die Cocktails abgestellt worden waren.
»Ich habe es nicht so mit Alkohol.
Schon seit Jahren nicht mehr.«
Jessica nippte an ihrem Glas. Seine
Antwort schien sie nicht überzeugt zu haben. Ob es daran lag, an den neuen Verletzungen
oder an etwas anderem, dass sie ihn schließlich nicht mit zu sich nach Hause nehmen
wollte, vermochte der Detektiv nicht zu beurteilen. Er hätte sich gefreut, wenn
sie sich anders entschieden hätte. Nicht nur, um für die Nacht ein Dach über dem
Kopf zu haben.
Vom Sudermanplatz aus überquerte Marius den nächtlichen und wenig einladenden
Ebertplatz, eine mit dürren Sträuchern geschmückte und von Ratten bevölkerte Betoneinöde
im Zentrum der Stadt. Obwohl es regnete, erschien ihm die Unterführung unter dem
Platz kein sicherer Aufenthaltsort für die Nacht. Vielleicht sollte er in Bahnhofsnähe
in einem Hotel einchecken? Auf der anderen Seite war es bereits deutlich nach Mitternacht,
da konnte er genauso gut wach bleiben und sich morgen Gedanken über seine Unterkunft
machen.
Im Hauptbahnhof, den er nach wenigen
Gehminuten erreichte, herrschte noch Betrieb. Er setzte sich auf die Treppenstufen
zum ICE-Gleis und schaltete den Laptop ein. Zufrieden registrierte er, dass die
Internetverbindung klappte. So konnte er die Nacht wenigstens sinnvoll nutzen. In
seinem E-Mail-Postfach fand er nichts von Bedeutung, deshalb erweiterte er die Suche
auf Informationen und Datenspuren der Opfer vom 11. November und vor allem auf Spuren
von Anja Binhold. Dann dehnte er den Suchkreis auf die Namen der Angehörigen und
Freunde aus. Das brachte zwar eine Vielzahl weiterer Treffer, ihm für seine Suche
jedoch nichts. Er würde direkt mit den Angehörigen sprechen müssen.
Marius tippte die Telefonnummern
der Angehörigen in sein Mobiltelefon, als vor ihm zwei Sicherheitsleute stehen blieben.
Er schaute hoch.
»Zeit, dir einen anderen Platz zu
suchen.«
Marius verzichtete auf eine Diskussion,
packte seine Sachen und ging. Er übersah den Mann, der ihm in der hohen Vorhalle
des Bahnhofs nachsah und sein Handy zückte, als er den Hauptbahnhof verließ.
Die nächsten Stunden verbrachte Marius in einem McDonald’s in der Nähe
des Bahnhofs. Er aß eine Kleinigkeit, und obwohl er sich gegen seine sonstigen Gewohnheiten
mit einer Cola wachhielt, nickte er irgendwann ein. Die Mitarbeiter ließen ihn in
Ruhe. Als er aus dem Schlaf hochschreckte, weil sein Nacken schmerzte, dämmerte
es draußen bereits. Auf der regennassen Straße spiegelten sich die Lichter des frühmorgendlichen
Verkehrs. Erste Passanten eilten mit müden Gesichtern in Richtung Hauptbahnhof.
Marius stellte sein Tablett zurück, packte Laptop und Tüten und verließ das Lokal.
Er war noch nicht ganz auf der Straße, als von zwei Seiten Einsatzwagen der Polizei
angeschossen kamen und unmittelbar vor ihm abbremsten. Ein Dutzend vermummte Beamte
stürmte aus den beiden Mannschaftswagen und stürzte sich auf den verschlafenen Detektiv.
Zwei der Männer packten ihn an den Schultern, einer schlug ihm mit dem Fuß die Beine
weg. Marius fiel bäuchlings zu Boden, und während sich die beiden Angreifer auf
ihn hockten und ihm an Händen und Füßen Plastikfesseln anlegten, sicherten die anderen
Männer sie mit gezückten Schnellfeuergewehren.
Das alles dauerte nur wenige Sekunden.
Die
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