König 01 - Königsmörder
direkt neu. Aber neu im Turm. Während er sich das Schinkenfett von den Fingern leckte, betrachtete er das riesige Porträt. Die königliche Familie stand neben einem breitkronigen, voll erblühten Djelbabaum; die samtigen, rosafarbenen Blütenblätter wirkten vollkommen lebensecht. Hinter ihnen leuchteten im Sonnenschein die makellos weißen Mauern des Palastes und juwe– lengeschmückte Fenster. Und hinter dem Palast Barls Mauer, die triumphierend in den wolkenlosen Himmel aufragte. Es war ein meisterhaftes Gemälde, in Auftrag gegeben bei einem der besten doranischen Künstler des Königreichs. Irgendein Lord Soundso. Klein, mager, flinke Finger und ein Temperament wie ein Kater, der zu lange keine Katze mehr gehabt hatte.
Bracan.
Er hatte sie anscheinend zwischen zwei Atemzügen erwischt. Borne lächelte, Dana schien kurz davor, in Gelächter auszubrechen. Fane war so schön, dass es einem Mann das Herz brach. Bei der Erinnerung an sie alle schnürte sich ihm die Kehle zusammen. Der gemalte Gar stand neben seiner Schwester, eine Hand auf ihre Schulter gelegt. Zweifellos von Bracan so in Pose gebracht. Sie hätten einander nie aus freien Stücken berührt, es sei denn, um sich zu schlagen oder zu stechen. Auch Gar lächelte, aber seine Augen waren traurig. Als wüsste er etwas, das die anderen nicht wussten. Als könnte er in die Zukunft sehen und war bekümmert.
»Wir waren eine gut aussehende Familie, nicht wahr?«, fragte Gar. Asher nickte, während die Melancholie sich wie ein Nebel auf ihn herabsenkte. »In der Tat.«
Gar wandte sich von dem Gemälde ab. »Ich vermisse sie so sehr«, sagte er mit leiser, unsicherer Stimme. »Selbst Fane.«
»Ich weiß.«
»Ich habe gerade eine Nachricht von Nix bekommen«, fuhr Gar fort und schnippte mit einer Fingerspitze gegen eine beiseitegelegte Notiz. Durm ist wieder aufgewacht, und es geht ihm viel besser. Er fragt nach mir.« Verdammt. Beunruhigt nahm Asher einen Schluck von Gars Teshoesaft. »Geht Ihr hin?«
»Natürlich.«
»Wann?«
»Bald.«
Er kaute auf seiner Unterlippe. »Weiß Durm schon über Eure Familie Bescheid?« »Nein.« Gar betrachtete eingehend einen Tintenfleck auf seinem Finger. »Wenn ich es ihm erzähle und er erfährt, dass ich jetzt der König bin, wird er nach meiner Magie fragen. Nach dem Wettermachen. Und wenn er spürt, dass etwas nicht stimmt – wenn ich ihn mit meinen Lügen nicht täuschen kann… Nun, man kann den Gedanken nicht einmal zu Ende denken.« Dann runzelte er die Stirn. »Ist das mein Frühstück, das du gerade isst?«
»Ja.« Er hielt ihm das Tablett hin. »Wollt Ihr es haben?«
»Jetzt nicht mehr.« Die Ellbogen auf den Schreibtisch gestützt, musterte Gar ihn. »Ist alles in Ordnung mit dir? Du hast mir gestern Nacht einen gehörigen Schrecken eingejagt.«
Asher nahm sich eine Scheibe Toast. Biss hinein. Kaute. Schluckte. »Mir geht es gut.«
»Wirklich? Du wirkst… wütend. Hast du Bedenken? Ich würde dir keinen Vorwurf machen, wenn es so wäre. Das Wettermachen gestern Nacht war hart.« Asher blickte finster auf das Frühstückstablett. Er hatte im Moment größere Probleme als das Wettermachen. Wenn er Gar von Matt erzählte, würden die Dinge sehr schnell sehr unangenehm werden. Zweifellos würde Gar die Wiedereinsetzung seines Stallmeisters befehlen, und Matt musste an seine Stelle verwiesen werden. Er verdiente irgendeine Art von Strafe, dass er Dathne so aus der Fassung gebracht hatte. Ein oder zwei Monate in den Tälern würden ihm recht geschehen. Danach konnte er zurückkommen. Nachdem er Zeit gehabt hatte, sich ein wenig abzukühlen und die Tatsache zu akzeptieren, dass Dathne niemals ihm gehören würde.
Nichts von alledem konnte er Gar erzählen. Es war weit besser, Matt still und leise davongehen zu lassen und Gar erst Bescheid zu geben, wenn Matt fort war. Er schüttelte den Kopf. »Darran hat mir in den Ohren gelegen, das ist alles. Er will den neuen Wetterplan. Heute.«
»Ich habe heute keine Zeit.«
»Dann schafft Euch die Zeit«, erwiderte er ungehalten. »Ihr habt gesagt, Ihr würdet die Dinge so einrichten, dass das Wettermachen ein wenig leichter für mich würde. Dies ist Eure Chance.«
Gar deutete mit der Hand auf die Bücher auf seinem Schreibtisch. Deutete dann auf die Bücher, die sich neben seinem Stuhl auf dem Teppich stapelten. »Ich weiß, was ich gesagt habe. Aber Asher, ich kann entweder den Wetterplan machen, oder ich kann mich weiter durch Durms Bibliothek pflügen auf
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