König 01 - Königsmörder
Hoben sich. Offenbarten verwirrte, bewölkte Augen. Das Rasseln war jetzt in seiner Kehle; ein unheilverkündendes Omen.
»Gar…«
Der Schrei eines Schmetterlings wäre lauter gewesen.
»Seht«, flüsterte er. »Ich bin hier. Ich bin bei Euch.«
Die starke Persönlichkeit hinter Durms Augen war zur Gänze besiegt.
»Vergebt mir…«
Er küsste Durms kalte, klebrige Stirn. »Es ist alles verziehen.«
Ein weiterer rasselnder Atemzug. Eine lange Pause.
Dann nichts.
Gar rief Nix herein. »Er ist tot. Tut, was notwendig ist, aber gebt sein Dahinscheiden nicht öffentlich bekannt. Schwört Euer Personal unter Androhung von schweren Strafen auf strikte Geheimhaltung ein. Ich werde diese Katastrophe verkünden, wenn ich es für richtig halte.«
Nix verneigte sich mit erstarrter Miene. »Ja, Eure Majestät. Wenn ich fragen darf – habt Ihr bekommend ras Ihr brauchtet, bevor …«
»Nein«, antwortete er nach einem kurzen Zögern. »Nein, ich habe es nicht bekommen.«
Draußen war es kühl und sonnig, geradeso, wie Asher es gewirkt hatte. In den Bäumen pfiffen scharlachrote Finken. Eichhörnchen huschten von einem Ast zum anderen. Die Mauer ragte sauber und hell und golden in den wolkenlosen Himmel auf.
Vorsichtig, immer einen Schritt vor den anderen setzend, kehrte er zum Turm zurück. Asher brauchte den neuen Wetterplan. Das zumindest konnte er tun. Und wenn es getan war, würde er sich auf die Suche nach Barls Tagebuch machen – was immer es ihnen nutzen konnte.
Lady Marnagh stürzte sich auf Asher, sobald er durch die hinteren Türen der Halle der Gerechtigkeit trat. Während in seinen Ohren noch die ekstatischen Schreie der Menge klangen –
Asher! Asher! Asher! –
und seine Lippen von Dathnes letztem, schnellem Kuss prickelten, tauchte er in die dunkle Stille der Halle ein wie ein Verdurstender, der Wasser fand.
Lady Marnagh geleitete ihn zu der privaten, abgeschirmten Galerie des Rechtgebers. Dann legte sie ihm die dunkelrote Robe seines Amtes um und setzte ihm die Krone des Rechtgebers fest auf den Kopf.
Anschließend führte sie ihn auf die magische Plattform, die ihn in den Wahnsinn hinabtragen würde, der unter ihm wartete. Sobald seine glänzenden, schwarzen Stiefel sichtbar wurden, brandete der rastlose Ozean von Geräuschen, der die Halle füllte, zu einer neuen Wöge des Jubels auf. »Gelobt sei Barl« und »Gesegnet sei unser Tribun« – diese und ähnliche Rufe umwehten ihn, während die Plattform sich senkte.
Er schlug die Augen auf, und einen Herzschlag lang ließ er den Mund offen stehen. Die Halle war zum Bersten gefüllt. Größtenteils waren es Olken, aber auch einige Doranen fanden sich in der Menge. Darunter der verfluchte Conroyd Jarralt, der höchstwahrscheinlich hoffte, dass ihm ein schrecklicher Fehler unterlaufen würde. Olkische Mitglieder des Großrats. Conroyd Jarralts Kumpane – Daltrie, Sorvold, Hafar und Boqur –, die in jener Nacht bei Salberts Horst bei ihm gewesen waren. Selbst Holze war da. Der Geistliche sah seine Verblüffung und lächelte, einen wachsamen, zweideutigen Ausdruck in den Augen.
Dathne hatte sich zwischen Darran und Willer in eine der vorderen Bänke gezwängt. Sie winkte ihm zu, eine kleine, zurückhaltende Geste.
Er kämpfte gegen die Versuchung zurückzuwinken.
Dort war der elende Indigo Glospottle, der Verursacher all dieses Ungemachs, ein langer, dünner Strahl Pisse. Auch sein Gesicht hatte die Farbe von Pisse, als sei ihm endlich,
endlich
klar geworden, was er ihnen allen eingebrockt hatte. Auf der anderen Seite des Gangs saß der Meister der Färbergilde, rotgesichtig und aufgeschwemmt von Entschlossenheit, und auch er wirkte keineswegs glücklich darüber, hier zu sein.
Das würde ihn lehren, nicht so habgierig zu sein.
Unter den eifrigen olkischen Gesichtern fanden sich Dutzende weitere, die er erkannte. Cluny und die übrigen Hausangestellten aus dem Turm. Einige der Palastangestellten, die er langsam kennenlernte. Pellen Orrick, der grinste wie ein Schwachsinniger, der Bastard; er ließ die Augenbrauen zucken, als sei dies alles
komisch.
Männer aus dem Wachhaus, die dienstfrei hatten und Schulter an Schulter dastanden, um ihren alten Zechkumpan zu beobachten, wie er sich zum Narren machte. Gildemeister und Meisterinnen, unter ihnen einige, die er vor den Kopf gestoßen hatte, und andere, die lediglich leicht verärgert waren. Doch es waren auch viele darunter, die ihn als Freund betrachteten. Schankmann Derrig und seine Töchter.
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