König 01 - Königsmörder
königlichen Angestellten wussten in der Theorie, wo die Kammer lag, aber keiner von ihnen hatte jemals Grund gehabt, sie zu besuchen. Kurz nachdem er das zweite Mal falsch abgebogen war, begann es zu schneien. Als er endlich auf den richtigen Pfad stolperte, fror er, war durchnässt und außer Atem, seine Pantalons waren zerrissen und seine linke Hand blutig gekratzt, nachdem er über eine Baumwurzel gestolpert und unbeholfen der Länge nach zu Boden gefallen war.
Die Wetterkammer war Ehrfurcht gebietend. Beängstigend. Es war ein Wunder, dass Asher es wagte, sie mit seinem Schatten zu besudeln und erst recht mit seiner Gegenwart zu schänden. Ganz oben auf der Kuppel flackerte ein eigenartiges Leuchten, Blitze in verschiedenen Farben, blau, silberweiß und scharlachrot.
Willer stahl sich näher heran und zuckte bei jedem Wispern im Gras, jedem Knarren in den Bäumen zusammen. Der klagende Ruf einer niedrig über ihn hinwegkreischenden Eule führte beinahe dazu, dass er sich in die Hosen machte. Mit heißem Gesicht und keuchend lehnte er sich schwer gegen die Tür der Kammer. Das Hämmern des Blutes in seinen Ohren war so laut, dass er fast nichts hören konnte.
Zu seiner Überraschung war die Tür unverschlossen. Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen. Maßlos von sich eingenommen in seiner Arroganz, hielt Asher sich für unverletzbar. Unentdeckbar. Er konnte es gar nicht erwarten, das Gesicht des Bastards zu sehen, wenn ihm klar wurde, wie sehr er sich geirrt hatte. Er betrat die Kammer. Da er es nicht wagte, den Lichtstein zu benutzen, tastete er sich im Dunkeln die Treppe hinauf, stieß sich die Zehen an und kaute auf seiner Unterlippe, um nicht vor Schmerz aufzuschreien. Schwere Eisenbänder schnürten ihm die Brust ein. Er würde einen Schlag bekommen, seine Beine würden in Flammen aufgehen.
Gerade als er dachte, dass er sterben würde, fand die endlose Treppe doch ein Ende, und er stand draußen vor der Wetterkammer selbst. Die Tür stand einen winzigen Spaltbreit offen. Durch den haarfeinen Riss konnte er ein wildes, grelles Licht sehen und eigenartige, grauenhafte Geräusche hören. Jemand schrie, ein verzerrtes Ächzen tiefsten Ungemachs, und inmitten dieses Geräusches konnte er eine Abfolge unverständlicher Worte ausmachen.
Seine Nackenhaare stellten sich auf.
Während er zaudernd dort stand, schwoll der Schrei zu einem rauen Höhepunkt an und brach abrupt ab, wie von einem Messer durchschnitten. Einen Moment später hörte man den Aufprall eines Körpers auf dem Boden.
Zitternd und kaum atmend drückte er die Tür weit auf und sah sich satt. Ein karger Raum, tapeziert mit komplizierten Karten und Diagrammen. Regale, die vollgestopft waren mit uralten Büchern. In ihrer Mitte ein wunderbares Ding, ein Modell des Königreichs, und darüber winzige Wolken, aus denen funkelnde Schneeflocken fielen. Reglos daneben, Asher. Blut beschmierte sein Gesicht und tröpfelte ihm aus dem Mund. Er war also tot? Bitte nicht.
Bitte
nicht, denn er musste leben, um sich für seine Verbrechen zu verantworten, um zu Füßen seines siegreichen Widersachers zu knien. Um vor der ganzen Stadt nackt entblößt zu werden, vor dem ganzen Königreich, auf dass man ihn als das Ungeheuer erkannte, das er war. Und er sollte genau wissen, wer ihm die Maske vom Gesicht gerissen hatte.
Er stahl sich näher heran. Asher atmete. In flachen Zügen und stöhnend, und in sein Fleisch waren tiefe Linien des Schmerzes eingemeißelt. Blut verkrustete seine Lider, klebte ihm in der Nase, leuchtete rot auf seinen Lippen. Er war tief und wunderbar bewusstlos.
Willer zog sich verstohlen zurück und benutzte Lord Jarralts Zauber, um die Tür hinter sich abzuschließen, wenig später wendete er ihn abermals an der Tür am Fuß der Treppe an.
Und dann begann er zu rennen.
»Conroyd, Conroyd, wach auf, Lieber, wach
auf!«
Morg öffnete die Augen. Wer…? Ah, ja. Seine dümmliche, geschwätzige Gemahlin – zumindest für den Augenblick. »Ethienne?«
»Oh, Conroyd«, sagte sie verdrießlich und schmollend. »Da ist ein
schrecklicher
kleiner Olk unten, und er will nicht weggehen, ganz gleich, was ich sage! Er besteht darauf, dass du ihn empfangen musst, und er wird nicht fortgehen, bevor du es tust!«
Morg reckte sich und schwelgte in der anmutigen Leichtigkeit seines herrlichen neuen Körpers. »Hat er dir seinen Namen genannt?«
»Willim. Oder Wolter. Oder irgendetwas anderes, das mit einem ›W‹ beginnt«, sagte Ethienne immer
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