König 01 - Königsmörder
erspart.« Ohne Vorwarnung schlug eine neuerliche Wöge des Schmerzes über ihm zusammen. Er rutschte wieder an den Gitterstäben hinab in das schmutzige Stroh. Darran antwortete nicht, sondern stand nur schweigend und mit undeutbarer, gefasster Miene da, während er die brutalen Beweise für Jarralts Verstimmung in sich aufnahm. Den getrockneten Dung, das Ei und anderen Unrat, Geschenke von einem dankbaren, hingebungsvollen Publikum.
Asher wandte den Blick ab, denn er wollte nicht das Mitgefühl in den Zügen des alten Mannes sehen. »Was macht Ihr hier, Darran? Seid Ihr gekommen, um zu gaffen?«
Der Sekretär wandte den Blick der Menge zu. »Seht sie Euch nur an. Ich vermute, dass inzwischen selbst die Säuglinge in ihrer Wiege hier in der Stadt wissen, dass man Euch verhaftet hat und warum. Binnen weniger Tage werden selbst die Menschen unten an der Küste davon erfahren.«
Asher schloss die Augen. »Das wird meinen verdammten Brüdern gewiss ein Lächeln aufs Gesicht zaubern.« Bei dem Gedanken an die Küste, an die Menschen dort, biss er sich auf die Unterlippe und zwang sich, die alte Krähe anzusehen. Dies würde schlimmer schmerzen als Jarralts Schüreisen… »Darran. Ich muss Euch um einen Gefallen bitten.«
Darran wich zurück. »Einen
Gefallen?«
»Nicht für mich selbst«, fügte er hastig hinzu. »Nicht direkt. Ich habe einen Freund. Jed. Wir sind zusammen in Restharven aufgewachsen. Er ist wegen einer Angelegenheit, um die ich ihn gebeten hatte, verletzt worden, und es gibt keine Heilung für ihn. Seit wir von Westjammer zurück sind, habe ich ihm Geld geschickt und dafür gesorgt, dass man sich um ihn kümmert. Wenn dies vorüber ist… wenn ich…« Er holte tief und schmerzhaft Atem und stieß ihn wieder aus. »…tot bin, könnt Ihr dann dafür sorgen, dass das, was von meinen Ersparnissen übrig ist, den Weg zu ihm finden wird? Bitte?« Darrans Miene war eine Mischung aus Überraschung und Kummer. »Asher, all Euer Geld ist beschlagnahmt worden. Eure Besitztümer ebenfalls. Ihr könnt nicht einmal einen Kuick oder ein Hemd Euer eigen nennen.«
Er hätte damit rechnen müssen.
Jed.
Er schluckte seine Wut herunter. Dann fiel ihm etwas anderes ein, und er richtete sich ungeachtet des Schmerzes scharf auf. Seine schweren Ketten klapperten. »Cygnet? Was ist mit Cygnet?« »Es tut mir leid«, sagte Darran nach einer langen Pause. »Die Ställe sind geräumt worden. Jemand meinte… Es tut mir aufrichtig leid, aber Conroyd Jarralt hat Euer Pferd jetzt.«
Es war eine schlimmere Qual als alles, was man seinem Fleisch und seinen Knochen angetan hatte. Er drückte die blutbefleckten Hände ans Gesicht und spürte, wie das Salz in den offenen Wunden brannte. Spürte, wie seine eiserne Willenskraft zu guter Letzt doch noch brach. Sein geliebter Cygnet, den Händen und Fersen dieses Mannes ausgeliefert, grausamen Gebissen und noch grau– sameren Sporen preisgegeben.
Darran trat näher. »Ihr solltet wissen, Asher, dass man mir alles erzählt hat.« Seine Stimme verklang zu einem Flüstern. »Ist es wahr, dass Ihr Magie… Ihr wisst schon?«
Er riss die Gedanken von dem armen Cygnet los und ließ die Hände sinken. »Was spielt es für eine Rolle?«
»Asher!
Ist es
wahr?«
Er lehnte den Kopf an seinen Käfig. Es hatte keinen Sinn mehr, irgendetwas abzustreiten. »Ja. Aber ich an Eurer Stelle würde mit niemandem darüber reden. Jarralt wird Euch töten.«
Darran schien hin– und hergerissen zu sein zwischen Grauen und Faszination. »Aber wenn Ihr tatsächlich…
Macht…
besitzt, könnt Ihr Euch nicht befreien?«
Er hatte sich dieselbe Frage gestellt. Wahrscheinlich war es möglich. Theoretisch. Er konnte zum Beispiel einen Frost über die Stadt kommen lassen, der all ihre Bürger in Eisstatuen verwandelte. Dann wäre er frei gewesen, um aus diesem Käfig auszubrechen und wegzulaufen. Aber lange, bevor sie gefroren wären, hätten die Wachen ihn bewusstlos geschlagen. Oder getötet. Außerdem gab es keinen Ort, an den er sich hätte wenden können.
»Nein. Ich kann es nicht.«
Darran trat noch näher, bis sein Gesicht beinahe den Käfig berührte. »Ich weiß, warum Ihr es getan habt.«
Er ließ die Lider sinken. »Das ›Warum‹ spielt keine Rolle. Nicht mehr.« »Ihr habt es getan, weil Ihr ihn liebt.«
Diese Feststellung brachte ihn zum Lachen. Mühsam öffnete er die Augen wieder.
»Jetzt
glaubt Ihr es?« Er atmete tief ein und versuchte, den messerscharfen Schmerz zu dämpfen. »Gar war
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