König 01 - Königsmörder
an. »Dies ist nur der Anfang, schätze ich.«
Ein weiteres Donnergrollen, lauter diesmal. Und diesmal rumpelte der Boden unter ihren Füßen als Antwort. Matt schlug sich stöhnend die Hände vors Gesicht. Asher schloss die Augen, ließ sich von seinen erwachten Instinkten leiten und seine rätselhaften Sinne in die Luft ausgreifen. Was er fand, war so furchtbar, dass er würgte. Es war jetzt schlimmer, als es im Wald gewesen war. Die Welt um ihn herum roch faulig. Nach Verwesung, wie ein von Maden übersäter Kadaver.
Er schlug die Augen auf und spuckte sauren Speichel ins Gras. »Ich kann es vielleicht aufhalten. Ich habe die Wettermagie in mir. Ich könnte dagegen kämpfen, die schlimmsten Löcher flicken, uns ein wenig Zeit verschaffen…« »Nein«, sagte Gar erschrocken. »Verstehst du nicht? Morg wird es spüren. Er wird wissen, dass du noch lebst. Es gibt nur eine Möglichkeit, dies hier aufzuhalten: Du musst ihn töten. Und zwar schnell, bevor es zu spät ist. Bevor das Land in Stücke gerissen wird. Der Sturm von Westjammer wird nichts sein,
nichts,
im Vergleich zu dem, was kommt.«
»Ja, nun, Ihr müsst es wissen«, meinte Asher gedehnt. »Als Krüppel und so weiter.«
»Wie könnt Ihr es wagen!«, rief Darran und trat vor. »Undankbarer Bauer! Nachdem er so viel aufs Spiel gesetzt hat, um hierher zu Euch zu kommen! Er hat sein Leben riskiert! Ist meilenweit gegangen! Nur um dieses verflixte Tagebuch dorthin zu bringen, wo es den meisten Nutzen hat!«
»Nutzen? Welchen Nutzen hat es, Darran? Kann man sich damit den Hintern abwischen? Oder sollte ich es Jarralt an den Kopf werfen? Vielleicht fällt er dann der Länge nach hin und schlägt sich das Gehirn aus dem Kopf? Vielleicht ist das der Nutzen dieses Tagebuchs?«
Gar wandte sich zu Darran um und hob beschwichtigend die Hand, bevor er antwortete. »Es hat einen größeren Nutzen als den, Asher. Du hast mich vorhin im Haus nicht aussprechen lassen. Barls Tagebuch ist voller Zauber und Beschwörungen. Kriegswaffen, die Morg besiegen können. Und ich kann sie dich lehren.«
Asher lachte.
»Ihr?«
»Also schön«, erwiderte Gar errötend. »Vielleicht ist ›lehren‹ das falsche Wort. Ich kann sie übersetzen. Sie erklären. Dir in der Theorie zeigen, wie man sie benutzt. Ich war selbst Magier, Asher, wenn auch nur kurz. Ich habe noch nicht alles vergessen. Wenn deine Freunde Recht haben, was dich betrifft, könnte es funktionieren. Schließlich bist du stark genug, um die Wettermagie zu benutzen. Du könntest auch stark genug für diese Magie Barls sein.«
»Das ist er«, sagte Veira trostlos. »Er muss es sein. Anderenfalls hätte die Prophezeiung uns in die Irre geführt, und alles, was übrig bliebe, wäre der Tod.« »Die Prophezeiung hat uns nicht in die Irre geführt!«, erklärte Dathne wütend. »Wage es nicht, den Glauben daran zu verlieren, Veira. Du bist die Hüterin des Zirkels. Du hast kein Recht, den Glauben zu verlieren.« Sie drehte sich zu Gar um. »Diese Kriegszauber. Wie lange wird es dauern, bis Ihr sie übersetzt habt? Wie schnell kann man sie erlernen?«
Gar zuckte mit den Schultern. »Lernen muss Asher sie. Was die Übersetzungen betrifft, werde ich mindestens einen Tag brauchen. Die Sprache, in der sie geschrieben sind, ist uralt und kompliziert. Ich denke, dass Barl irgendwelche Sprachrätsel benutzt hat, für den Fall, dass das Buch der falschen Person in die Hände fallen sollte.«
»Was bedeutet das?«, fragte Veira. »Ist eine Gefahr damit verbunden?« »Nicht für mich«, antwortete Gar und verzog das Gesicht. »Ich habe nicht länger die Möglichkeit, die Beschwörungen zu aktivieren. Aber falls ich sie falsch übersetze und Asher versucht, sie zu benutzen… Nun, es könnte vielleicht sehr… schmutzig werden.«
Asher schnaubte. »Es wäre nicht das erste Mal, dass Ihr versucht, mich zu töten.« Veira wandte sich zu ihm um. »Hör auf damit! Hast du Zeit für schäbiges Gezänk, wenn wir unter einem Himmel wie diesem stehen?« Sie deutete mit dem Finger nach oben, und sie alle legten den Kopf in den Nacken, um emporzublicken.
Die sich verdichtenden Wolken waren dunkler geworden; sie sahen aus wie Prellungen auf der geschundenen Haut des Himmels, von ungesunden Grün– und Purpurtönen. Einige hatten sich scharlachrot gefärbt, wie blutige Blasen. Während sie stumm den Himmel betrachteten, fielen einzelne, nach Schwefel stinkende Regentropfen herab. Tropfen, die brannten, wenn sie auf nacktes Fleisch
Weitere Kostenlose Bücher