König 01 - Königsmörder
zurückzuschauen!«
Matt hielt seinem Blick stand, ohne mit der Wimper zu zucken. »Ja. Du kannst weggehen, Asher. Ich bin nicht stark genug, um dich aufzuhalten. Niemand ist stark genug. Du kannst weggehen, und wir alle werden sterben. Es ist nicht gerecht, es ist nicht gut, aber so ist es einfach. Wenn du weggehst, werden wir anderen sterben.«
In die Enge getrieben, an die Mauer seines unbequemen Gewissens gepresst, starrte Asher auf seine kantigen Hände. Unter der Oberfläche seiner Haut schimmerte die Macht. Wenn er die Augen schloss, konnte er sie beinahe sehen: Ein Fluss aus Feuer, der durch seine Adern pulsierte. Seit seinem Ausbruch in der vergangenen Nacht konnte er sich der Wahrnehmung dieser Macht nicht länger verschließen. Er holte tief und grollend Luft und stieß sie langsam wieder aus. Er konnte noch immer die klebrige Berührung der Dunkelheit spüren, die seinen Geist besudelte.
»Es ist viel verlangt, Matt«, flüsterte er. »Ein einziger Mann gegen etwas derart Böses. Ein einziger Mann, ganz allein.«
»Du bist nicht allein!«, entgegnete Matt scharf. »Du hast mich. Dathne. Veira. Den Rest des Zirkels.«
Er schnaubte. »Ich dachte, du hättest gesagt, olkische Magie sei praktisch nutzlos?«
»Ich habe gesagt, sie könne das Böse, mit dem wir es zu tun haben, nicht besiegen. Aber es bleibt trotzdem Arbeit für uns zu tun. Wir alle haben geschworen, dir zu helfen, Asher. Wir werden unser Leben geben, wenn es das ist, was notwendig ist.« Matt trat wieder näher, und auf seinen Zügen spiegelte sich ein Aufruhr unglücklicher Gefühle. »Ich wünschte, es gäbe einen anderen Weg. Ich wünschte, wir hätten es dir früher erklären können. Ich wünschte, du hättest nicht erlitten, was du erlitten hast. Wenn dies vorüber ist, wenn du uns für unsere Lügen bestrafen willst, für unseren Betrug, dann geh fort. Sprich nie wieder mit uns, und wir werden es verstehen. Aber ich flehe dich an, Asher: Geh nicht jetzt. Nicht, wenn wir dich brauchen. Nicht, wenn du alles bist, was zwischen uns und der Vernichtung steht.«
Stille, als hielten die Schwarzen Wälder den Atem an. Tiefer zwischen den Bäumen bellte ein Fuchs. Einmal. Zweimal. Ein Raubtier, das durch die Dunkelheit streifte. Das nach seinem nächsten Opfer suchte, und all die kleinen Kaninchen waren ahnungslos…
Matt hatte Recht, der Bastard. Es war nicht gerecht, und es war nicht gut. Es war einfach so. Vielleicht war er dieser Unschuldige Magier, und vielleicht war er es nicht. Darum ging es im Grunde nicht. Unterm Strich war er Pas Sohn, und Pa hatte sich in seinem ganzen Leben niemals von jemandem abgewandt, der in Not war. Wo immer er jetzt war – falls er irgendwo war –, würde er von seinem Jüngsten erwarten, dass er diesem Beispiel folgte.
Also würde er es tun. Aber das bedeutete nicht, dass es ihm gefallen musste. »Warte!«, rief Matt ihm nach, während er auf Veiras Haus zustapfte. »Hast du nicht gesagt, uns ginge die Zeit aus?«, fauchte er über die Schulter gewandt. »Willst du diese Sache erledigt sehen oder nicht? Entscheide dich, Matt!«
»Aber da ist etwas, das ich dir noch nicht erzählt habe, Asher! Etwas, das du wissen…«
»Du hast mir genug erzählt! Und jetzt komm, denn ich habe nicht den ganzen Tag Zeit!«
Nach einem zehnminütigen Marsch erreichte er Veiras von Klee überwucherten Garten. Die Hühner sprangen auseinander, als er zwischen ihnen hindurch auf das Haus zuging, die Hintertür aufstieß und eintrat. In der Küche war niemand, aber er konnte das Murmeln von Stimmen in dem schmalen Flur hören. Er folgte dem Geräusch zu seiner Quelle: Veiras winzigem Wohnzimmer. Es war überfüllt von Leibern. Veira. Dathne. Darran? Und…
»Hallo, Asher«, sagte Gar.
Er hatte das Gefühl zu ersticken. Die Orientierung zu verlieren. Der Raum war plötzlich von einem roten Nebel erfüllt. Eine Stimme – seine Stimme – sagte belegt: »Schafft ihn hier raus.«
Hinter ihm erwiderte Matt: »Nein. Warte. Du verstehst nicht…«
»Schafft ihn raus, oder es ist
vorbei!«
Während Veira mit zorniger Miene den Mund öffnete, um etwas zu sagen, das er nicht hören wollte und das sie möglicherweise bedauern würde, stand Gar auf, ließ das in Leder gebundene Buch, das er in Händen gehalten hatte, auf den verblassten Teppich fallen und zupfte an seinem von der Reise staubigen Wams. Dann blickte er in die entsetzten Gesichter der Menschen um ihn herum. »Ich würde gern kurz unter vier Augen mit Asher
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