König 02 - Königsmacher
sich von seinem hohen Stuhl. Seine Hände waren ruhig, und sein Gesicht war unberührt von Tränen oder irgendetwas anderem. Er ging zu Hervy Wynton hinüber, der sich mit einem Taschentuch den Mund abwischte. »Ihr könnt Timon jetzt nach Hause bringen, Meister Wynton«, sagte er leise. »Bettet ihn mit Güte zur letzten Ruhe. Er war kein schlechter Junge. Es fehlte ihm an Urteilsvermögen. Aber Barls Gesetz muss für uns alle gelten, für die Klugen wie für die Törichten. Richtet seinem Vater mein Beileid aus.«
»Ja, Eure Majestät«, flüsterte Hervy Wynton. »Vielen Dank, Eure Majestät.« Borne wandte sich von ihm ab. »Hauptmann Orrick?«
Orrick verbeugte sich, scheinbar ungerührt. »Ja, Eure Majestät?« »Seid Meister Wynton behilflich. Und sorgt dafür, dass die Nachricht sich in der Stadt verbreitet. Der Gerechtigkeit ist Genüge getan worden. Barls Gesetz hat Bestand. Diese Angelegenheit ist erledigt und vorbei. Die Gnade des Königs und Barls Segen dem Volk von Lur.«
»Ja, Eure Majestät.«
Borne und sein Kronrat verließen den Raum. Asher folgte ihnen unsicheren Schrittes aus dem Wachhaus in den eleganten Innenhof hinter dem Gebäude, wo ihre Kutschen warteten. Die Luft war sauber und frisch. Nicht von Blut besudelt. Die Sonne schien. Auf den Straßen dahinter waren Menschen, vielleicht dieselben, die in der letzten Nacht zusammengekommen waren und nach Vergeltung geschrien hatten. Jetzt eilten sie zielstrebig umher und versahen ihre täglichen Arbeiten. Als habe sich nichts verändert. Als sei niemand soeben gestorben. Wenn sie es erfuhren, würden sie Mitleid empfinden? Oder würden sie vor Freude tanzen?
Gar drehte sich zu ihm um. Seine Miene war kalt. Reserviert. »Ich kehre mit Seiner Majestät in den Palast zurück. Du kannst mit der Kutsche in den Türm fahren, wenn du willst. Ich werde dich heute nicht noch einmal brauchen.« Asher starrte ihn nur sprachlos an. Er holte tief Luft und fand schließlich seine Stimme wieder. Selbst in seinen eigenen Ohren klang sie fremd. Dünn und unvertraut. »Ich will die Kutsche nicht. Ich werde für eine Weile spazieren gehen.«
»Wie du möchtest«, sagte Gar achselzuckend. »Dann werde ich die Kutsche zu den Ställen zurückschicken.«
Als Gar sich abwandte, streckte Asher die Hand aus und berührte mit den Fingerspitzen den Ellbogen des Prinzen, sodass dieser sich noch einmal umdrehte. »Habt Ihr gewusst, dass das geschehen würde?«, fragte er heiser. »Habt Ihr gewusst, dass Spake an Ort und Stelle getötet werden würde?« Gars Blick flackerte kurz zum König hinüber, der soeben in seine Kutsche stieg. Durm schickte den Stallburschen fort und hielt die Tür selbst für den König auf. Holze und Jarralt hatten es sich bereits in ihren eigenen Kutschen gemütlich gemacht und warteten darauf, dass Borne sich verabschiedete, sodass auch sie sich zurückziehen konnten. Der Prinz schüttelte den Kopf.
»Nein. Natürlich habe ich es nicht gewusst. Aber Durm hatte Recht. Heute. Morgen. Welchen Unterschied macht das? Er wäre so oder so gestorben.«
Asher beobachtete ihn, wie er ihre Kutsche fortschickte, in die des Königs stieg und den Wagenschlag hinter sich zuzog. Sah, wie die großen, braunen Pferde sich auf das Knallen von Matchers Peitsche in Bewegung setzten und die Kutsche vom Hof zogen.
Er wandte sich ab und ging davon.
Als die Tür der Buchhandlung hinter einem Kunden zufiel, ließ Dathne den Kopf auf die Hände sinken und stöhnte laut auf. Es war verlockend, so verflucht verlockend, das »Geschlossen«-Schild ins Fenster zu hängen und alle Riegel vorzulegen, obwohl es kaum eine Stunde nach Mittag war. Und sie würde es tun, sie würde es wirklich tun, wenn auch nur eine einzige Person heute noch hereingerauscht kam und keuchte: »Habt Ihr schon gehört? Es hat eine Verhandlung gegeben. Es heißt, er habe geplant, die Mauer einzureißen! Barl sei uns gnädig, was soll noch alles werden? Ich hoffe, sie hängen ihn an den obersten Pfosten des Wachhauses. Ich hoffe, dass sie ihn vorher noch ordentlich verprügeln werden. Ich hoffe, sie lassen ihn für sein Verbrechen zahlen. Eine solche Schande über unschuldige Olken zu bringen. Jetzt werden die Doranen unsere Treue in Frage stellen. Unsere Dankbarkeit. Was für ein durch und durch böser Mensch. Was für eine böse Tat.«
Die Furcht dieser Menschen, ihre Entrüstung, ihr inbrünstiges Verlangen nach schneller Bestrafung und einer noch schnelleren Rückkehr in die Normalität
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