König 02 - Königsmacher
Gar mein Freund ist, obwohl er genau das ist und das mit eine Rolle spielt. Aber vor allem könnt Ihr mir deshalb keinen Schaden zufügen, weil Ihr nichts als eine schleimige kleine Schnecke seid, und ich hab Euch nur deshalb noch nicht zertreten, weil ich keinen Schneckenschleim auf meinen Stiefeln haben will.«
Willer, der seine Notizen vergessen hatte, beugte sich vor. Das Tintenfass kippte um, und blaue Spritzer ergossen sich auf die dicken, roten Samtkissen der Kutsche. Willer bemerkte es nicht. Speichel klebte in seinen nach unten gezogenen Mundwinkeln. In seinen Augen stand flammender Hass, und er hatte die weichen Hände zornig zu Fäusten geballt. »Ihr solltet vorsichtig sein, wenn Ihr wisst, was gut für Euch ist, Asher. Ihr glaubt, ich sei der Einzige, der Euch verachtet?«, zischte er. »Viele Menschen verachten Euch. Sie sind nur nicht mutig genug, um es offen zu sagen. Und wisst Ihr,
warum
sie Euch verachten? Weil Ihr Euch für unverletzbar haltet.« Seine Stimme zitterte heftig, und seine rosige Haut war schweißnass vor Gehässigkeit. »Und Ihr denkt, Ihr wäret ebenso viel wert wie Seine Hoheit. Nun, das seid Ihr nicht. Ihr seid immer noch einer von uns. Ihr werdet
niemals
einer von
ihnen
sein.«
Asher lachte. »Ich will gar nicht einer von ihnen sein. Das ist Euer Problem, Willer. Nicht meins.«
Willer prallte zurück, als hätte er einen Schlag ins Gesicht bekommen. »Das ist
Ketzerei!
Ihr nehmt das zurück, Asher.
Nehmt es zurück!«
Kopfschüttelnd richtete Asher sich auf und nahm den Fuß vom Trittbrett der Kutsche. Er musterte Willer, dessen Atem jetzt ein raues, ersticktes Keuchen war. Der Mann sah so aus, als sei er dem Ersticken nahe. »Ihr seid ein erbärmlicher kleiner Mann, Willer.«
Rasend vor Zorn sprang Willer auf. Sein Buch, die Schreibfeder und das Tintenfass flogen durch die Luft. Schnaufend und zitternd krallte er die Finger um die Kutschentür, als sei das Holz Ashers Kehle.
»Nicht so jämmerlich, wie Ihr es eines Tages sein werdet, das verspreche ich Euch!«
Asher trat wieder vor, legte eine Hand auf Willers glatte, weiche Wange und tätschelte sie sanft. »Droht mir nicht, Willer. Ihr verschwendet nur Euren Atem, denn Ihr habt weder das Hirn noch den Mumm, um Eure Drohung wahr zu machen.«
Er lachte, als Willer ruckartig vor ihm zurückwich, das Gleichgewicht verlor und auf den Boden der Kutsche fiel, wo er wie eine Wurst in einem Brötchen zwischen den Sitzen festklemmte.
Fröhlich pfeifend warf Asher seinen leeren Kelch von einer Hand in die andere und schlenderte zurück zum Pavillon des Prinzen, wo Gar Fleisch, Brot und heißen, gebutterten Mais herunterschlang. Die Speisen standen, säuberlich in Schalen und auf Tabletts angerichtet, auf einem gedeckten Tisch. Als er die kräftigen, berauschenden Düfte einatmete, zog sich Ashers leerer Magen zusammen, und Speichel sammelte sich in seinem Mund. Er hatte verdammten Hunger. Er nickte dem kleinen Jungen zu, der dem Prinzen aufwartete, und beobachtete gierig, wie ein Teller für ihn gefüllt wurde.
»Also«, sagte Gar, während er an einem Stück Wildbret kaute, »du hast mit Willer gesprochen? Konntest du ihn beruhigen?«
»O ja«, antwortete Asher, während er seinen Teller von dem Jungen entgegennahm und leise zischte, als er sich an einem dicken, gelben Maiskolben die Finger verbrannte. »Er ist wirklich und wahrhaftig beruhigt.«
Gar, der sich soeben seinen Kelch nachfüllen ließ, hörte nicht zu, und so entging ihm Ashers Tonfall. »Gut. Und nun beeil dich mit dem Essen, ja? Wir müssen zusehen, dass wir weiterkommen.«
Asher verdrehte die Augen. »Ja, Eure Hoheit. Was immer Ihr sagt, Eure Hoheit.«
Dann lachte er, als Gar eine Brotkruste nach ihm warf.
Nach dem Mittagessen setzten sie die Reise fort. Das Flache Land blieb hinter ihnen zurück, und mehr und mehr konnten sie ihre Richtung nach der sinkenden Sonne bestimmen. Als das letzte Licht der Dämmerung endgültig den Sternen wich, erreichten sie den Weiher Flacheisen und das Gasthaus Zur schnarchenden Eule, wo sie die Nacht verbringen wollten. Zum ersten Mal in seinem Leben ging Gar zu Bett, ohne dass der Schimmer von Barls Mauer durch seine Schlafzimmervorhänge fiel. Es fühlte sich seltsam und beunruhigend an, aber der lange Tagesritt forderte seinen Tribut, und er versank in einen erschöpften Schlaf.
Stunden später weckte ihn das Geräusch von Regen, der auf das Schieferdach trommelte. Einen Moment lang war er verwirrt. Wie konnte es regnen?
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