König 02 - Königsmacher
gedrückt, in den hohen, wolkenlosen Himmel, »dann lass mich nicht fallen. Bitte. Bitte. Wenn du mich liebst, lass mich nicht fallen…« Am Abend gab es ein Festbankett, und die ganze Stadt war eingeladen. Der Marktplatz von Westjammer war für den Bürgermeister und seine wichtigen Gäste reserviert, aber die Straßen gehörten den Fischern von Lur. Vielfarbige Laternen schmückten die Bäume, hingen aus Fenstern und an Ladenschildern und warfen grelle Regenbögen auf die gepflasterten Straßen. Tische und Bänke zogen sich von einem Ende zum anderen zwischen den Gehsteigen entlang, und die Luft war bis an die Kiemen getränkt mit den rauchigen Düften von gebratenem Fleisch. An jeder Ecke standen offene Fässer mit Wein und Bier, und an diesem einen Abend allein war es keine Schande, ausgelassen vom Grog zu sein. Lachen war Musik, und Musik war Lachen, und unter die miteinander wetteifernden Klänge von einem Dutzend verschiedener Orchester mischte sich misstönender Gesang. Das tägliche Joch des Lebens war in seine zerbeulte Kiste gepackt worden und würde für ein oder vielleicht sogar zwei Tage nicht mehr beachtet werden. Denn jetzt zählten nur Frohsinn und Bier und fettes, gebratenes Schweinefleisch und das muntere Geplapper jener, die das Glück hatten, aus der Ferne einen Blick auf den Prinzen werfen zu können.
Die Feier auf dem Marktplatz war zivilisierter, aber genauso begeistert. Das gleiche Blasorchester wie beim Einzug des Prinzen in die Stadt spielte tapfer in der Mitte des Platzes, dessen Ränder gesäumt waren von Tischen. Viele Einheimische hatten ihre besten Tischdecken gespendet, und die Frauen hatten für den Tischschmuck gesorgt.
Der offizielle Tisch stand über den übrigen, wie es sich geziemte. Hier bedienten einige wenige Auserwählte, die sich überaus wichtig fühlten. Sie waren eigens für diesen Anlass ausgebildet worden, und man hatte sie damit geneckt und ihnen die Ehre missgönnt, bis sie glaubten, dass ihre Freunde und Verwandten, die auf den Straßen zechten, vielleicht doch besser dran waren. Gewiss war es kein Vergnügen, Leute zu bedienen wie diesen herrischen, dürren Strich Katzenpisse ganz in Schwarz, der sich selbst höchstwahrscheinlich »Herr« nannte, wenn er sein Bild im Spiegel erblickte. Er hörte auf den Namen Daggan oder etwas Ähnliches, und es machte eindeutig überhaupt keinen Spaß, seinesgleichen zu bedienen… oder das fette, übertrieben aufgemachte kleine Geschöpf, das ihm folgte wie ein übler Geruch.
Aber wer scherte sich schon um solche Leute? Da waren der Prinz und der Bürgermeister und seine Frau und die Führer der sieben anderen Städte und Dörfer, und sie alle gaben sich durchaus freundlich. Oh, und dann war da noch dieser andere Bursche. Der Olk. Irgendjemand meinte sich vage an ihn zu erinnern und dass er früher in der Nähe gelebt hatte. Und wie war es ihm gelungen, sich so weit über sie alle zu erheben? Er saß da in seinen eleganten Kleidern, mit einem eleganten Schmuck im Ohr und silbernen Ringen an den Fingern, die im zuckenden Licht der Fackeln blau, rot und purpurn leuchteten. Er sprach kaum ein Wort, und auf seinem Gesicht standen schwarze Gewitterwolken. Wer war er? Wer war seine Familie, und welches Dorf oder welche Stadt hatte er früher einmal sein Zuhause genannt?
Emsiger als Möwen zwischen Fischgedärmen huschten Schank-leute zwischen den Tischen, dem Fleischstand, den Weinfässern und den Brotkörben hin und her, schauten und staunten und sahen einander mit hochgezogenen Augenbrauen an, während das Fest unter dem kristallklaren, sternenübersäten Himmel seinen Lauf nahm. Asher begrub das Gesicht in einem frischen Becher Bier und verfluchte sich als den größten Narren, der je geatmet hatte. Alle starrten sie ihn an. Selbst wenn sie die Köpfe abgewandt hatten, Essen herunterschlangen oder einen Ozean von Wein tranken, starrten sie ihn dennoch an. Sobald er den Mund geöffnet hatte, hatte er sich als Einheimischer verraten. Wie töricht von ihm, dass er nicht über diese Möglichkeit nachgedacht hatte.
Nun gut, er hatte jetzt einen städtischen Akzent, obwohl er nicht bemerkt hatte, dass sich ein anderer Tonfall in seine Stimme geschlichen hatte, und würde froh sein, ihn wieder zu verlieren, aber er war immer noch einer von ihnen, und sie wussten es. Und natürlich hatte der alte Vem, Restharvens Schiedsmann, nur einen Blick auf ihn werfen müssen, um vor Schreck fast hintenüberzufallen. Die Anstrengung, dem alten
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