König 02 - Königsmacher
Kauz aus dem Weg zu gehen, hatte ihn bereits ziemlich ausgelaugt. Er wollte Vem auf keinen Fall erklären müssen, was er getrieben hatte. Wie sich herausstellte, war das Protokoll doch zu etwas nutze. Vem würde niemals vor Gar vom Tisch aufstehen, und Gar war zu beschäftigt damit, sich vollzuschütten, um in absehbarer Zeit irgendwo hinzugehen.
In seinem Ohr erklang eine vertraute Stimme, in die sich jetzt unvertraute Gehässigkeit mischte. »Hör auf zu schmollen«, riet Gar ihm mit einem verlogenen Lächeln auf den Lippen. »Habe ich gesagt, du dürftest nicht bleiben? Bleib, wenn es das ist, was du willst. Bleib und sei verflucht.«
Asher, der wie vom Donner gerührt war, konnte ihn nur anstarren. Was wollte Gar von ihm hören? Vergesst das Ganze, es war nur ein Scherz, natürlich kehre ich mit Euch in die Stadt zurück? Ich habe kein eigenes Leben, keine Pläne, keinen Ehrgeiz. Das einzige Versprechen, das gilt, ist dasjenige, das ich Euch gegeben habe. Also werde ich einfach hinter Euch herzotteln, bis ich alt und grau bin und all meine Zähne in einem Krug aufbewahre. War es
das,
was der Prinz erwartete?
Dann war er ein Narr.
Er öffnete den Mund, um etwas in der Art zu bemerken, aber seine Stimme ging im erneuten Getöse des Orchesters unter, das zu einer lebhaften Tanzmelodie aufspielte.
Gar wandte sich ab und bot der Bürgermeistersgattin den Arm. Die dumme Kuh errötete, als würde ein Mitglied der königlichen Familie ihr nicht geradeso auf die Zehen treten wie ihr Gemahl, und nahm seine Aufforderung an. Während die beiden davon tänzelten und die Menschen ihnen Platz machten, gesellten sich auch andere Paare zu ihnen, und schon bald hallte das fröhliche Geklapper vieler Schuhe durch die Straßen.
Vem, der sicher am anderen Ende des Tisches saß, legte seine zerknitterte Serviette beiseite und stand auf.
Asher schob seinen Stuhl zurück, ließ sein kaum angerührtes Essen stehen und schlüpfte lautlos in die Nacht davon. Er glaubte, einen enttäuschten Ausruf hinter sich zu hören, drehte sich jedoch nicht um.
Der Hafen von Westjammer war tief und hatte eine breite Einfahrt. Asher lehnte sich an die Steinmauer, die den der Fischerei vorbehaltenen Bereich abtrennte, und sog in tiefen Zügen die berauschende Meeresluft ein. Er staunte über sich selbst, dass er so lange fortgeblieben war.
Vom Hauptbecken ging eine breite, gemauerte Pier aus und zeigte wie ein Finger zum Horizont… und zur Gischt und den Wellenkämmen an dem gigantischen, magisch geschützten Riff. Als Junge hatte Asher bei Sonnenaufgang auf einer Landspitze gesessen, beobachtet, wie das Morgenlicht auf den schroffen Korallenwänden glänzte, und sich mit schmerzhafter Sehnsucht gefragt, was wohl jenseits des Zusammentreffens von Meer und Himmel liegen mochte. Niemand wusste es. Kaum jemand interessierte sich dafür. Solange die Fische den Weg durch das Riff und in die Häfen fanden, was spielte es da für eine Rolle, dass sie ihre Tage vielleicht irgendwo auf einem Essteller beschlossen? Der Mangel an Neugier hatte ihn erzürnt. Aber so waren die Menschen eben. In der Stadt waren sie genauso. Tagein, tagaus leuchtete diese verdammte große Mauer und trennte sie von allem ab, was dahinter liegen mochte, aber es war ihnen gleichgültig. Die Mauer war immer da gewesen und würde immer da sein. Außerdem, welches andere Königreich konnte besser sein als Lur? Lur war der Inbegriff der Vollkommenheit. Sollte die Mauer sich doch um sich selbst kümmern. Nicht einmal Dathne interessierte sich dafür. Nicht einmal Gar. Wahrscheinlich interessierte es ihn selbst nicht allzu sehr. Nur manchmal, wenn er zum Horizont blickte, wurde er von Staunen befallen.
Geradeso wie er jetzt staunte, während er auf das heitere, silbrige Wasser des Hafens blickte, hinter sich den Lärm des Festes, vor sich das sanfte Plätschern der Wellen, über sich einen hohen, vollen Mond.
Die Schönheit all dessen schnitt ihm ins Herz. Als sie an diesem Nachmittag die gewundene Straße zum Meer hinabgeritten waren, der salzige Wind ihnen in die Nase geweht hatte und er nach über einem Jahr das Meer wiedersehen konnte, hatten ihm Tränen in den Augen gebrannt. In diesem Moment hatte er gewusst, dass es das einzig Richtige für ihn gewesen war, die Stadt zu verlassen und nach Hause zurückzukehren. Es war all den Ärger wert, den jetzigen wie den noch kommenden, musste es wert sein, denn hier war er wieder am Meer. Hier war sein Herz, das lange genug in einer
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