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König 02 - Königsmacher

König 02 - Königsmacher

Titel: König 02 - Königsmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Miller
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Adern, lässt sein Blut schäumen. Sein langes silbernes Haar, erschlafft von der Krankheit, regt sich aus eigenem Antrieb auf seinen Schultern. Knistert und wirft blaue Funken, die sich wölben und tanzen und die Luft entflammen.
    »Gar«, flüstert er. »Sing für mich, mein Sohn. Sing die Ernte. Sing das Fest. Sing die Gesundheit und das Glück der Menschen. Sing gut und mach mich stolz.«
    Jenseits der nackten Kammerdecke erzittert der blaue Himmel - und vor die leuchtende goldene Sonne schiebt sich wie Gaze eine Wolke.
    »Gar!«, ruft der König, die Finger zu Krallen durchgebogen, das Haupt gekrönt von einem Strahlenkranz unaussprechlicher Macht. »Barl rette mich… rette mich… rette ihn!«
    Und dann Dunkelheit, als die Sonne erlischt.
    Das Fischerboot des Festes tanzte am Ende seiner Vertäuung so munter wie ein Mädchen auf seiner ersten Feier für Erwachsene. Mit trockenem Mund und hämmerndem Herzen stellte Gar sich vor, dass er auf dem Boot war, auf dem Ozean, dem gewaltigen, blauen und sehr, sehr tiefen Meer. Er konnte sich nicht daran erinnern, von Asher je gehört zu haben, dass er tief war.
    Gestern, immer noch brodelnd vor Zorn über die Absichten des undankbaren Abtrünnigen, hatte er die ungeheuerliche Weite des Wassers, das sich von der Küste bis zum Horizont erstreckte, kaum wahrgenommen. Obwohl es das erste Mal im Leben gewesen war, dass er das Meer sah. Die Wut hatte ihn blind gemacht.
    Jetzt jedoch,
jetzt…
    Er stellte sich vor, wie er all diesem wilden Wasser auf Gedeih und Verderb ausgesetzt war, jenem Wasser, das nicht einmal ein Wettermacher zähmen konnte, und er spürte ein Zittern in seinen Eingeweiden.
    Furcht tat nicht gut. Er erstickte sie gnadenlos im Keim. Erstickte auch die Fantasie. Stattdessen sah er Asher an, der zu seiner zur Faust geballten Rechten stand. Der aufs Meer und das Boot starrte, in den unergründlichen Augen flammende Habsucht, und der glaubte, beide seien wichtiger als alles, was er in Dorana je erreicht hatte… was er noch erreichen konnte.
    Der Bürgermeister von Westjammer räusperte sich. »Eure Hoheit?« Gar nickte und wandte sich vom Wasser ab. »Natürlich, Herr. Sind wir bereit?« Sie standen auf einem Podest, das am stadtwärtigen Ende der Pier errichtet worden war. Darran und Willer standen hinter ihnen in der zweiten Reihe, zusammen mit den anderen Würdenträgern, die ihre heimischen Gemeinden vertraten. Die gesamte Hafenfront, die Promenade und die Straßen, die sich zum Wasser hinunterschlängelten, waren dicht an dicht besetzt. Männer, Frauen und Kinder strahlten und hatten ihre besten Kleider angetan, die sie nur einmal im Jahr trugen: Festhemden und Röcke, Hüte und karierte Hosen und auf Hochglanz polierte Schuhe. In einer unheimlichen Stille, wie ein gewaltiger, eingesogener Atemzug, warteten sie darauf, dass die Zeremonie begann. Eine Flagge wurde geschwenkt. Der Bürgermeister verbeugte sich vor Gar. »Wir sind bereit, Eure Hoheit.«
    Und er war es ebenfalls, dachte er. Hoffte er. Er hatte genug Zeit damit verbracht, diesen Moment zu studieren. Wenn er jetzt nicht bereit war, hatte er kein Recht, sich einen Prinzen zu nennen oder Tribun für olkische Angelegenheiten oder irgendetwas anderes als einen vernunftlosen Narren. Er nickte dem Bürgermeister zu.
    »Dann lasst uns jetzt die Ernte feiern, Herr. Und Barls Segen möge auf uns allen ruhen.«
    Der Bürgermeister lächelte. »Barls Segen, jawohl, in der Tat, Herr.«
    Gar hob die Arme und holte tief Luft. Dann warf er den Kopf in den Nacken und sang, die Augen geschlossen, das Gesicht verzückt, in die Stille hinein ein einziges Wort:
»Frohlocket!«
    Wie der volltönende Ruf eines Brachvogels erhob sich der Gesang in den makellos blauen Himmel. Und dann zerrissen Tausende von Stimmen das wolkenlose Firmament vereint und voller herzlichem Glück und Staunen:
»Wir frohlocken!«
    Das Fest der Meeresernte hatte begonnen.
    Im Schlafgemach des Königs bricht gerade noch beherrschter Tumult aus. »Ihr habt gesagt, er sei auf dem besten Wege der Genesung!«, zürnt die Königin dem königlichen Pother. »Ihr habt gesagt, wir wären über den Berg!«
    »Das war er auch, Eure Majestät!«, antwortet Nix. »Aber das war, bevor er es sich in seinen verrückten Kopf gesetzt hat, Regen zu machen!« Er ächzt, als der wild um sich schlagende König seine Rippen trifft. Er stürzt sich auf einen glücklosen Helfer und faucht: »Haltet ihn im Bett, das habe ich Euch eigens gesagt! Dies ist nicht

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