König 02 - Königsmacher
nachdenken.« »Sie hat Recht, Borne«, sagte Durm. »Wir müssen wissen, was hinter dieser Tür liegt.«
»Müssen wir das?« Borne drückte die Finger auf die Schläfen, als schmerzte ihn der Kopf. »Denkt nach, Durm. Stellt Euch vor, was es bedeuten könnte, wenn… wenn aus Fantasien Tatsachen würden. Wenn wir tatsächlich Barls verlorene Bibliothek gefunden hätten.«
»Es könnte die Entdeckung eines Lebens sein.« In Dürrns Augen stand ein fiebriger Glanz. »Nach sechs langen Jahrhunderten würden wir die Kluft zwischen uns und unseren Vorfahren überwinden können. Früher waren wir Doranen eine stolze und mächtige Rasse von Kriegermagiern. Aber was sind wir heute? Zu welchem Zweck nutzen wir unsere Fähigkeiten? Zum Verlegen von Rohren. Zum Heraufbeschwören von Glimmfeuern. Um Bücher zu binden.« Die Verachtung in seiner Stimme war schneidend. »Wir öffnen Türen und schließen Fenster. Lassen hübsche Blumen erblühen und halten unsere Kleider ohne Seife und Wasser sauber. Häusliche Annehmlichkeiten und bäuerliche Tätigkeiten stellen heute unseren ganzen Wirkungskreis dar. Abgesehen vom Wettermachen ist das absolut alles, was wir mit unserer Magie anfangen. Doch unsere Vorfahren hatten Kenntnis von Zaubern und Beschwörungen, von denen wir, gleich bloßen Spiegelbildern ihres ehemaligen Glanzes, nur träumen können!« Borne nickte langsam. »Mein Freund, genau das ist es, was mir Angst macht.«
»Angst, Borne?« Durm schüttelte den Kopf. »Warum?«
Borne sah ihn durchdringend an. »Wie könnte Ihr mich das fragen? Barl und unsere Vorfahren standen einem Magierkrieg von solch grausamer Gewalttätigkeit gegenüber, dass sie nur die Wahl hatten, entweder in das bittere Unbekannte zu fliehen oder dem Untergang ins Gesicht zu sehen. Das ist es, was uns jenseits dieser Tür erwarten könnte. Wollt Ihr nach sechshundert Jahren Frieden noch einmal etwas derart Böses auf unser Volk loslassen?« Durm runzelte die Stirn. »Ihr kennt mich gut genug, um zu wissen, dass ich das nicht will.«
»Ich dachte, ich würde Euch kennen.«
»Eure Majestät…« Durm seufzte. »Vergebt mir. In Wahrheit ist es höchst unwahrscheinlich, dass dieser Raum Bücher mit geheimen Lehren enthält. Ich fürchte, dieses große Wissen ist uns lange verloren. Ich bitte Euch, Euch noch einmal zu besinnen. Wenn es nicht verloren ist, wenn wir tatsächlich eine vergrabene Schatztruhe voller uralter doranischer Magie entdeckt haben… Könnt Ihr es wahrhaft in Erwägung ziehen, diesen Schatz nicht zu heben?«
»Um mein Königreich zu schützen?« In Bornes Augen stand ein gequälter Ausdruck. »Eher würde ich das alles verbrennen.«
Während sein Vater und dessen bester Freund einander anstarrten wie Fremde, räusperte Gar sich. »Aber, Herr… Was ist mit unserer Geschichte?« »Unsere Geschichte ist - wie du verdammt genau weißt, Gar - Blut und Terror und Exil!«, antwortete Borne. »Wir sind verzweifelt in dieses Land gekommen, und voller Verzweiflung haben wir es erobert. Einzig Barls großes Opfer und die bereitwillige Hilfe des olkischen Volkes haben seither unsere Sicherheit gewährleistet. Wir verdanken den Wohlstand dieses Königreiches ausschließlich dem gegenseitigen Vertrauen und dem Verantwortungsbewusstsein seiner beiden Völker. Ich werde nicht derjenige sein, der die Nachfahren jener ersten Doranen und die Olken, die sich ihnen angeschlossen haben, um eine bessere Welt für alle zu schaffen, die Bedeutung des Wortes Verzweiflung lehrt.«
»Aber Papa, das verlangt doch niemand von Euch!«, sagte Fane. »Wir bitten nur um eine Chance festzustellen, was hinter dieser Tür liegt!«
»Borne, mein Freund«, begann Durm. »Eure Liebe zu diesem Königreich und seinen Völkern steht außer Frage. Und dasselbe gilt, so hatte ich gedacht, für meine Liebe zu Euch. Lasst uns mit diesen nutzlosen Spekulationen aufhören und stattdessen die Wahrheit enthüllen. Wenn wir etwas finden, das Euch auch nur im Geringsten missfällt, können wir es zerstören.«
Borne sah ihn forschend an. »Das könntet Ihr tun?«
Das Kinn vorgereckt, die Schultern durchgedrückt, nickte Durm. »Wenn Ihr es mir befehlen würdet, ja. Ich könnte es tun. Ich würde es tun. Ihr seid mein König. Ich lebe, um Euch und Eurem Königreich zu dienen.« Er trat auf den König zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Borne, während unseres ganzen langen Lebens habt Ihr mir vertraut. Sagt mir jetzt und sprecht aufrecht: Habe ich Euch jemals
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